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Am Abend gelang es einer Spezialeinheit der mazedonischen Polizei, das Parlament zu räumen.

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Mehrere sozialdemokratische Abgeordnete, darunter Parteichef Zoran Zaev, wurden verletzt.

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Die Demonstranten im Parlament.

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Skopje – Die Krise in Mazedonien hat am Donnerstagabend zu einem Gewaltausbruch nationalistischer Demonstranten im Parlament geführt. Erst durch den Einsatz von Blendgranaten konnte eine Sonderpolizeieinheit das Parlament in der Hauptstadt Skopje nach einer heftigen Schlägerei räumen. Laut Medienberichten dürfte es den Abgeordneten der neuen Parlamentsmehrheit in Polizeibegleitung gelungen sein, das Gebäude zu verlassen.

Laut Medienberichten wurden bis Freitagabend acht Personen festgenommen. Die Ermittler versuchten außerdem weitere Personen zu identifizieren, die an der Gewalt am Donnerstagabend direkt beteiligt waren.

Zuvor waren sie im Presseraum von rund hundert Anhängern der nationalkonservativen VMRO-DPMNE, der Partei des langjährigen Regierungschefs Nikola Gruevski, blockiert gewesen. Teils vermummt schwenkten die Angreifer mazedonische Flaggen, sangen die Nationalhymne und gingen schließlich mit Sesseln auf Oppositionsabgeordnete los, von denen zehn verletzt wurden. Dabei sind nach Angaben der Polizei 102 Personen verletzt worden. Unter den Verletzten sind auch acht Abgeordnete und 22 Polizisten.

Zu den verletzten Abgeordneten gehören auch der Chef der Sozialdemokraten, Zoran Zaev, und seine Stellvertreterin Radmila Sekerinska. Drei Abgeordnete mussten ins Spital. Schwere Verletzungen soll laut Medienberichten auch Zijadin Sela, Chef der Allianz für die Albaner, erlitten haben. Berichte, wonach er in Lebensgefahr schwebe, erwiesen sich aber als unzutreffend.

"Es herrscht Chaos", sagten Augenzeugen. Rettungsteams konnten das demolierte Innere des Parlaments erst nach dem Polizeieinsatz betreten, meldeten Medien.

Streit um Minderheitenrechte

Mehrere Stunden nach dem Sturm übernahm die Polizei wieder die Kontrolle über das Gebäude. Etwa 2.000 bis 3.000 Demonstranten versammelten sich weiterhin vor dem Parlament.

Präsident Gjorge Ivanov wandte sich in einer Fernsehansprache an seine Landsleute. "Ich rufe dazu auf, dass die Spannungen sich beruhigen", sagte er und rief zur Gewaltlosigkeit auf. Für Freitag lud er die Parteichefs zu Beratungen in sein Büro ein. Es gebe keine Frage, für die durch Dialog und im Einklang mit der Verfassung keine Lösung zu finden wäre, erklärte er. Ivanov weigert sich seit Anfang Februar, den Sozialdemokraten Zaev mit der Regierungsbildung zu beauftragen, auch wenn sich dieser 67 von 120 Parlamentssitzen gesichert hat.

Der Grund liegt in seinem Regierungsprogramm, das beim Sprachgebrauch größere Rechte für die albanische Volksgruppe vorsieht. Das würde gemäß Ivanov die Einheit des Landes gefährden. Dieselbe Meinung vertritt die seit 2006 regierende VMRO-DPMNE.

Deren Vorsitzender Gruevski weilte in Wien, wo ein Treffen mit ÖVP-Generalsekretär Werner Amon auf dem Programm stand. Die VMRO-DPMNE ist mit der Europäischen Volkspartei (EVP) verbunden.

EU und USA besorgt

EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn und die Außenbeauftragte Federica Mogherini verurteilten die Gewalt ebenso wie zahlreiche westliche Botschafter. Gewalt sei "keine annehmbare Art, um Differenzen beizulegen", erklärte die US-Botschaft. Gleichzeitig wurde die Bereitschaft bekundet, mit dem legal gewählten neuen Parlamentspräsidenten Xhaferi zusammenzuarbeiten.

"Gewalt ist kein Ersatz für politische Lösungen", erklärte der amtierende Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), zusammen mit OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier in der Nacht auf Freitag.

Seit der Wahl vom 11. Dezember hat das Gruevski-Lager die Regierungsbildung durch die neue Mehrheit verhindert. In den vergangenen vier Wochen haben die Abgeordneten durch Dauerreden und Verfahrenstricks das Parlament lahmgelegt. Dadurch konnten weder ein Parlamentspräsident noch die neue Regierung gewählt werden. Der Staatspräsident wie auch der Parlamentspräsident haben als enge Gefolgsleute Gruevskis dazu beigetragen. (APA, dpa, 27.4.2017)