Syrische Kurden in Qamishli protestieren gegen die türkischen Angriffe auf die Kurdenmilizen YPG. Mit dabei ein Bild von PKK-Chef Öcalan: Ankara wirft den YPG ja vor, Teil der PKK zu sein.


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Damaskus/Wien – Zumindest in einem Punkt Syrien betreffend sind sich die USA und Russland einig: Beide verurteilten die türkischen Luftangriffe auf Stellungen der syrischen Kurdenmilizen YPG von Dienstag. "Inakzeptabel" hieß es aus Moskau, einen Tag nachdem sich Washington "sehr besorgt" über das türkische Vorgehen gezeigt hatte. In den von der PYD – die politische Partei zur YPG – kontrollierten Gebieten in Nordsyrien gab es kurdische Demonstrationen gegen Ankara: Wie um die türkischen Vorwürfe zu bestätigen, dass die PYD/YPG eine Filiale der verbotenen türkisch-kurdischen Arbeiterpartei PKK sei, wurden dabei auch Porträts des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan mitgeführt.

Berichte, dass die YPG die Militäroperationen vor der Stadt Raqqa, die vom "Islamischen Staat" befreit werden soll, aus Protest gestoppt habe, wurden später relativiert. Die Kurden verlangen jedoch von den USA ein entschiedeneres Eintreten gegen die türkischen Angriffe. Die YPG sind die stärkste militärische Gruppe in den "Syrischen Demokratischen Kräften" (SDF), die die USA bei ihrem Kampf gegen den IS in Nordsyrien als Bodentruppe einsetzen.

Trump konnte sich durchschwindeln

Das missfällt wiederum der Türkei, die in Raqqa mitmischen will. Die Angriffe waren zwar gegen "die PKK" gerichtet – aber auch eine Botschaft an die US-Regierung, dass sie sich zwischen Türkei und PYD/YPG entscheiden muss. Bisher gelang es Präsident Donald Trump, der den türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan nach dessen Verfassungsreferendum sogar anrief, sich bei dieser Frage durchzuschwindeln.

Über der nördlichen Front gegen den IS liegt der Schatten der türkisch-kurdischen Feindschaft, aber auch jener der prinzipiellen US-russischen Differenzen über die Zukunft Syriens. Nach dem US-Militärschlag gegen einen syrischen Stützpunkt nach dem Giftgasangriff in Khan Sheikhun hat sich zwar nichts an den Konstellationen geändert. Aber die russisch-iranische Erwartung, dass der Verbleib des Assad-Regimes letztlich stillschweigend hingenommen würde – als geringeres Übel im Vergleich mit dem IS –, erfüllt sich nun doch nicht.

London aufseiten der USA

Zur BBC sagte der britische Außenminister Boris Johnson am Donnerstag, Großbritannien würde sich neuen US-Militärschlägen gegen Assad wahrscheinlich anschließen. Es wäre "sehr schwierig für uns, nein zu sagen", falls die USA London darum ersuchten. Der Kontext wären allerdings neue Giftgasangriffe des Regimes.

Es ist eher nicht zu erwarten, dass die USA ihren Angriff auf Assad bald wiederholen. Aber andere Aktivitäten weisen darauf hin, dass die externen Akteure nicht nur am Kampf gegen den IS interessiert sind. Es soll gleichzeitig verhindert werden, dass das Assad-Regime – und seine iranischen und libanesischen schiitischen Verbündeten – von der Schwächung des IS profitieren.

Dazu gehört der erneute israelische Luftschlag am Donnerstag, diesmal beim Flughafen Damaskus. Israel bestätigte ihn zumindest indirekt: Israelische Politik sei es zu verhindern, dass Teheran der Hisbollah technologisch hochentwickelte Waffen zukommen lasse. Moskau rief zum "Respekt der syrischen Souveränität" auf: vorerst eine eher sanfte Kritik.

Iran und Hisbollah

Am Mittwoch hatte Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman in Moskau versichert, dass Israel "iranischen und Hisbollah-Kräften nicht erlauben wird, sich auf dem Golan zu sammeln". Israel griff vor drei Tagen Qunaitra an, nachdem von dort drei Mörsergranaten auf israelischem Gebiet gelandet waren. Aber die Angriffe werden auch in einem anderen Kontext gesehen.

Denn Experten erwarten im Süden Syriens eine konzertierte Anstrengung der USA, Großbritanniens und Jordaniens und arabischer Golfstaaten, nicht nur den IS zurückzudrängen, sondern das Gebiet für Anti-Regime-Kräfte zu sichern, in diesem Fall für Stämme, mit denen Jordanien zusammenarbeitet. Es gibt bereits einen Entwurf eines "dezentralisierten administrativen Gebiets" – eventuell einer Puffer- oder Sicherheitszone, wie sie ja auch im Norden immer wieder angedacht wird, auch von Trump. Syrische Nationalisten befürchten jedoch die Filetierung Syriens.

In Jordanien wird zaghaft Sorge über ein Abgleiten in den syrischen Sumpf geäußert: Die Frage ist, ob das Land an beschränkten Operationen gegen den IS teilnehmen oder aber gar gemeinsam mit den USA und Großbritannien – und indirekt Israel – in Syrien die iranische Präsenz bekämpfen soll.

Die Beziehungen zwischen Amman und Teheran haben sich zuletzt weiter verschlechtert, nachdem König Abdullah Anfang April in der Washington Post die Präsenz der iranischen Revolutionsgarden nahe der jordanischen Grenze kritisiert und die Möglichkeit einer arabisch-israelischen Allianz gegen den Iran in den Raum gestellt hatte. In der jordanischen Stadt Mafraq kam es zu antischiitischen – nicht nur antiiranischen – Protesten. (Gudrun Harrer, 28.4.2017)