Bild: Outlast 2
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Eines vorweg: Dass die monatliche Indie-Games-Übersicht mit dem Titel "Best of Indie" einem wöchentlichen Indie-Game weichen musste, hat den Nebeneffekt, dass nennenswerte große Spiele unabhängiger Entwicklerstudios auch dann besprochen werden, wenn man sie beim besten Willen nicht zu den jeweils "Besten" zählen kann. Dieses Vorwort nimmt das Fazit zum soeben erschienenen Horror-Schocker "Outlast 2" (Windows, Xbox One, PS4, 27,99 Euro) schon vorweg: War der Vorgänger noch die auf Hochglanz polierte Essenz der Indie-Erkenntnis, dass sich Angst bei einem völlig wehrlosen Protagonisten eher einstellt als bei den damals üblichen schwerbewaffneten Horrorspielhelden der AAA-Konkurrenz, enttäuscht "Outlast 2" vor allem durch ein Missverständnis: Der Horror wird durch mehr Blut und Beuschl nicht größer – eher im Gegenteil.

Dabei ist es absolut beachtlich, was das mittelgroße kanadische Indiestudio Red Barrel an Schauwerten für den Nachfolger seines kommerziell erfolgreichen Erstlings aufbietet: Grafisch muss sich "Outlast 2" auch hinter der AAA-Konkurrenz aus weitaus größeren Studios nicht verstecken. Beeindruckende Lichteffekte und ein absolut gelungenes Sounddesign geben aber leider nur die zugegeben spektakuläre Bühne für ein Spiel, das nicht nur wegen seines kleineren Budgets meilenweit hinter dem mit ähnlichen Motiven weitaus Spannenderes bewerkstelligenden "Resident Evil 7" zurückbleibt.

WIRSPIELEN

Mehr ist weniger

Es mag müßig klingen, bei einem auf Geisterbahnschockeffekte abzielenden Spiel an der Handlung herumzumäkeln, doch "Outlast 2" gibt sich andererseits erschreckend viel Mühe, ebendiese auszubreiten. Als Videojournalist stürzt der Protagonist ganz zu Beginn gemeinsam mit seiner Frau bei einer Reportage über mysteriöse Verbrechen irgendwo in der Einöde Arizonas mit dem Hubschrauber ab. Auch nur flüchtige Kenner des Horrorgenres wissen, dass dies nur eines bedeuten kann: mörderische Hillbillies, komplett mit obilgatorischem Banjo, die, je nach Laune, mal kannibalische inzestuöse Serienkiller, mal religiös fanatische und/oder quasi-satanistische Ritualmörder sein müssen. "Outlast 2" geht – symptomatisch für das gesamte Spiel – hier auf Nummer sicher und wartet in seiner wüsten Story mit einer Kombination gleich aller Klischees auf – Banjo inklusive.

Wie überhaupt maß- und ziellose Übertreibung das bestimmende Element dieses Spiels ist: Schon wenige Minuten nach Spielstart werden Spielerinnen und Spieler mit mehr oder weniger kreativ drapierten Leichenbergen, gehäuteten Gekreuzigten und malerisch verteilten Kadavern konfrontiert, die jede anfängliche Horroratmosphäre flugs ins fast alberne Gegenteil verkehren. Schade, dass jeder Humor in diesem Spiel nur unabsichtlich ist – und schade, dass die optisch durchaus gelungene Atmosphäre schon so atemlos kurz nach Beginn nicht nur durch diesen viel zu früh einsetzenden platten Splatter-Overkill, sondern auch durch diverse Spielmechaniken jeder Wirkung beraubt wird.

Versteckspiel mit den Mörderdeppen

Wir erinnern uns: Vor einigen Jahren war es vor allem die originelle Spielmechanik, die Indie-Horrorspiele wie "Slender", "Amnesia", aber auch den direkten Vorgänger von "Outlast 2" zu furchterregenden Alternativen zum einfallslosen Mainstream-Horror werden ließ. Mit "Outlast 2" ist die Formel vom wehrlosen Helden, der nur durch Verstecken oder Weglaufen überlebt, allerdings wohl ans Ende ihrer Haltbarkeit gelangt. Hier macht vor allem die offene Gestaltung der nächtlichen Spielwelt dem Horror einen Strich durch die Rechnung: Weil die mal größeren, mal kleineren Gebiete auf verschiedene Arten durchquert werden können, aber nur einen Ausgang haben, entfaltet sich zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad allzu oft nicht das gewünschte Katz- und Mausspiel mit der absurden Vielzahl an patrouillierenden Mordsgestalten, sondern es reicht blindes Herumsprinten, bis nach dem ein oder anderen Tod – besonders die blutige Kastration hat es den Entwicklern angetan – der richtige Weg gefunden ist und die Verfolger auf magische Art verschwinden.

Die Videokamera des Protagonisten ist dabei wie im Vorgänger vor allem dann wichtiges Werkzeug, wenn – wie so oft – gar keine Beleuchtung vorhanden ist und nur mit Nachtsichtfunktion etwas zu sehen ist. Dass diese schon nach lächerlich kurzen Minuten den Akku des Camcorders leert, der ermüdend oft mit praktischerweise überall in dieser Welt aufzufindenden Batterien gefüttert werden muss, wird weniger zur spannungsfördernden Mangelverwaltung, sondern eher zum ärgerlichen Stressfaktor. Wo angsterfülltes Schleichen und Sich-Verstecken gefragt wären, verleitet auch diese allzuschnell ablaufende Sanduhr dazu, draufloszustürmen und das Beste zu hoffen – eine Taktik, die nur selten vom Spiel sanktioniert wird. So bleibt statt die Nerven strapazierendem vorsichtigen Schleichen und Warten allzu oft nur hysterisches Stolpern von einem Schreckmoment zum nächsten. Den angenehm einlullenden Effekt der Abstumpfung, den das bei Spielerinnen und Spielern auslöst, würde man schon aus Eigeninteresse auch dem im gefühlten Sekundentakt Variationen von "Oh fuck" stammelnden Protagonisten wünschen.

Trailer zu "Outlast 2"
Red Barrels

Fazit

Eine platte, wirre Story, die auch von eindrucksvoll inszenierten Einzelszenen und Flashbacks nicht gerettet wird, belanglose bis in ihrer unmotivierten, stumpfen Gewalttätigkeit unsympathische Klischeefiguren, ein Overkill an spannungstechnisch schlecht eingesetztem Splatter, großteils uninspirierte, aber dafür umso zahlreichere Schreckmomente und vor allem eine eigentlich bewährte, zentrale Spielmechanik, die sich dank anderer Spielelemente nicht und nicht entfalten kann: "Outlast 2" ist eine wunderschöne, aber trotz allen Blutes blutleere Geisterbahn, die ein gehöriges Maß an Begeisterungswillen voraussetzt, um nicht zu langweilen.

Für dieses Mal lässt sich eine Frage recht eindeutig beantworten: Ja, "Outlast 2" lässt sich – kein freundliches Urteil – weitaus besser per Let’s-Play-Sichtung mit theatralisch kreischender Youtube-Personality konsumieren denn als Spiel. Das Gefühl, dass "Outlast 2" hauptsächlich für diese Zielgruppe konzipiert wurde, lässt sich schwer abschütteln. Der Innovationsvorsprung, den Indiespiele in Sachen Horror einmal hatten, ist spätestens mit der Gegenüberstellung zu "Resident Evil 7" auf diesem Gebiet Geschichte. (Rainer Sigl, 28.4.2017)

"Outlast 2" ist ab 18 Jahren für Windows-PC, Xbox One und PS4 erschienen. UVP: 27,99 Euro.