Bewölkt bleibt es nicht nur für Sparer, auch die Finanzbranche klagt. Parken Finanzinstitute überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür nach wie vor 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen.

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Frankfurt/Frankfurt am Main – Sparer in der Eurozone müssen weiter auf höhere Zinsen warten: Die Europäische Zentralbank (EZB) hält vor der Stichwahl in Frankreich an ihrem Billiggeld-Kurs fest. Der Rat der Notenbank beließ den Leitzins im Euroraum bei seiner Sitzung am Donnerstag in Frankfurt wie erwartet auf dem Rekordtief von null Prozent.

Hoffnungen auf ein baldiges Ende der ultralockeren Geldpolitik machten die Währungshüter nicht. Zwar seien Deflationsgefahren fast verschwunden, die Preisentwicklung brauche aber weiterhin Unterstützung durch die Geldpolitik, bekräftigte EZB-Präsident Mario Draghi. Die wirtschaftliche Erholung im Euroraum habe sich verstetigt, "sie ist breit und solide". Doch es blieben Risiken.

Parken Finanzinstitute überschüssiges Geld bei der EZB, müssen sie dafür nach wie vor 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Zugleich kauft die Notenbank weiterhin monatlich Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Milliardenvolumen.

Ökonomen hatten nicht damit gerechnet, dass die Notenbank zwischen der ersten und zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich ihre Geldpolitik ändert. Eine Stichwahl zwischen dem europafreundlichen Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen entscheidet am 7. Mai über die politische Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft des Euroraums.

Nach der Frankreich-Wahl

Spätestens nach einer Wahl Macrons müsse Draghi endlich Farbe bekennen, wann und auf welche Weise der Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik beginnen soll, forderte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): "Anleihekäufe und Negativzinsen mögen der Konjunktur zwar helfen, ihre gefährlichen Nebenwirkungen für die Stabilität der Banken nehmen jedoch erkennbar zu."

Nach Einschätzung von Targobank-Chefvolkswirt Otmar Lang ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, "dass die europäischen Währungshüter eher früher als später wieder eine härtere geldpolitische Gangart einlegen". Diesen Geist bekomme Draghi wahrscheinlich nicht mehr in die Flasche zurück. "Möglicherweise treiben fortan die Märkte die EZB und nicht mehr umgekehrt", befand Lang.

Im Kampf gegen niedrige Inflation und Konjunkturschwäche hat die Notenbank ihre Geldschleusen weit geöffnet. Seit März 2015 kauft sie Staatsanleihen und Unternehmenspapiere im Milliardenwert. Das Programm läuft bis mindestens Ende 2017. Seit April fließen aber nur noch 60 Milliarden statt 80 Mrd. Euro monatlich.

Das viele billige Geld soll im Idealfall die Konjunktur ankurbeln und auch die Teuerung anheizen. Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Konjunkturrisiko. Unternehmen und Verbraucher könnten Investitionen aufschieben in der Erwartung, dass es bald noch billiger wird. Das könnte die Wirtschaftsentwicklung abwürgen.

Im März schwächte sich die Jahresinflationsrate im Euroraum nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat auf 1,5 Prozent ab. Im Februar hatte sie getrieben von höheren Energiepreisen noch bei 2,0 Prozent gelegen. Die EZB strebt einen Wert von knapp unter zwei Prozent an. Allerdings könnte sich der Preisauftrieb im April wieder beschleunigt haben. Darauf deuten Daten aus Deutschland hin. In Europas größter Volkswirtschaft stieg die jährliche Teuerungsrate auf 2,0 Prozent.

Umstrittene Geldpolitik

Die ultralockere Geldpolitik ist vor allem in Deutschland umstritten. Zwar kommen Immobilienkäufer durch die Zinsflaute billiger an Kredite, dagegen werfen Sparbuch und Co. aber kaum noch etwas ab.

Die Finanzbranche klagt, die EZB-Politik schwäche die Banken. Der negative Einlagezins wirke wie eine Sondersteuer. Zurzeit zahlten Geschäftsbanken im Euroraum jeden Monat eine halbe Milliarde Euro, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB, Michael Kemmer: "Die Bereitschaft der EZB, den geldpolitischen Ausnahmezustand in absehbarer Zeit zu beenden, ist offenbar gering – trotz guter Konjunktur und überwundener Deflationsrisiken." (APA, 27.4.2017)