Jonathan Demme, gezeichnet von seiner Krankheit, vor zwei Jahren in Venedig.

Foto: AFP PHOTO / Giuseppe CACACE

Jodie Foster geleitete als hartgesottene FBI-Agentin, die zu einem Teufel namens Hannibal Lecter ein intimes Verhältnis pflegt, durch seinen größten Erfolg. "The Silence of the Lambs" ("Das Schweigen der Lämmer") geriet im Jahr 1991 nicht nur zum Hit an den Kinokassen, sondern wurde auch in allen zentralen Kategorien mit Oscars gewürdigt. Aus heutiger Sicht wirkt diese Art von smartem Genrekino, das sich auf ambivalente Atmosphären genauso wie auf Charakterzeichnung versteht, fast wie ein vergessenes Kind Hollywoods: die Sorte Film, die man gegen Franchises eingetauscht hat.

Der Regisseur des Thrillers hieß Jonathan Demme, 1944 in Long Island geboren, der zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine abwechslungsreiche Karriere zurückblicken konnte. Seine Lehrjahre absolvierte er in der legendären B-Movie-Schmiede von Roger Corman. Entsprechend grell fiel auch sein Debüt "Caged Heat" (1974) aus, ein Frauengefängnisdrama, das mit einer sadistischen Wärterin im Rollstuhl aufwarten konnte. Fotografiert von Tak Fujimoto, der zu Demmes langjährigen Weggefährten wurde, behält der Film bis heute seine Kraft durch seinen fortschrittlichen Blick auf unterdrückte sexuelle Energien.

Ronald Rock

Bereits Demmes frühe Filme, etwa die Kleinstadtkomödie "Citizen's Band", demonstrieren die Sensibilität dieses Filmemachers für die Widersprüche der US-Gesellschaft, deren dynamischen Wandel. Es war dann allerdings ein Konzertfilm, mit dem er zunächst reüssierte: "Stop Making Sense" bestach durch seinen sturen Fokus auf die Performerqualitäten der New-Wave-Band Talking Heads, ihre Musik. Weil er auf jedes Beiwerk, etwa Interviews, verzichtete, definierte der Film das Genre der Musikdokumentation neu.

Unberechenbar und erfolgreich

In den 80er-Jahren konnte sich Demme mit Filmen wie "Married to the Mob" und "Something Wild" als vielseitiger Genreikonoklast bewähren, der seinen Stil, anders als später Quentin Tarantino, nicht aggressiv nach außen kehrte. Bei ihm hat das soziale Milieu Vorrang, die Details der zeithistorischen Lebenswirklichkeit, die beispielsweise ein so gegensätzliches Gespann wie Melanie Griffith und Jeff Daniels in "Something Wild" noch im Vorüberfahren aufnahm. Auch nach "The Silence of the Lambs", für den er selbst einen Oscar erhielt, blieb Demme unberechenbar, seiner Vorliebe für vielschichtige Themen treu. Mag sein, dass "Philadelphia", in dem Tom Hanks einen aidskranken Anwalt spielte, sich seiner Aufgabe ein wenig gezähmt stellte. Ein schönes Beispiel für den humanistischen Impuls dieses Werks ist er allemal.

Oscars

Auch für dessen politischen Anspruch: Noch Demmes unterschätztes Remake des Paranoia-Meisterwerks "The Manchurian Candidate" nutzte das Thrillergenre gewieft für Anspielungen auf die Gegenwart. Meryl Streep, die darin die böse Mutter des Helden mimte, hat auch in seinem letzten Film "Ricki and the Flash" mitgewirkt. Die Rockmutter, die zu den von ihr entfremdeten Kindern Kontakt sucht, war eine seiner typischen Figuren: eine Frau, die ein längst zerrissenes Amerika einen wollte.

Am Mittwoch ist Jonathan Demme im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. (Dominik Kamalzadeh, 26.4.2017)