Bekanntlich ist nicht alles Gold, was glänzt. Spezialfirmen glauben jedoch, auch aus alten Lebensversicherungen einiges herausholen zu können.

Foto: Sandra Hofbauer

Wien – Anbieter von Lebensversicherungen haben mit Altverträgen und deren hohen Garantiezinsen von bis zu vier Prozent derzeit ihre liebe Not – aber die macht ja bekanntlich erfinderisch. Folglich haben sich in Deutschland Abwicklungsgesellschaften darauf spezialisiert, diese Altbestände den Versicherern in Bausch und Bogen abzukaufen und in Eigenregie weiterzuführen. Worin die Vorteile dieser sogenannten Run-offs liegen sollen, erklärt Bernd Neumann, Chef des Abwicklers Frankfurter Leben, der sich erst vor kurzem 128.000 Polizzen mit Genehmigung der Finanzaufsicht Bafin von der Basler Leben einverleibt hat.

Zunächst betont Neumann die Kostenvorteile von auf Abwicklung spezialisierten Gesellschaften gegenüber herkömmlichen Anbietern, da keinerlei Aufwände oder Provisionen für das Neugeschäft anfallen würden. Zudem seien Organisation, interne Abläufe und die technische Ausstattung auf das Geschäftsmodell Run-off zugeschnitten. "Zu Beginn wird in die IT investiert, langfristig sind die Kosten für die Systeme aber deutlich geringer, da keine teuren Altsysteme gepflegt werden, wozu Traditionsversicherer mit vielen verschiedenen Geschäftsfeldern gezwungen sind", erklärt der Frankfurter-Leben-Chef.

Ein Fünftel des Markts für Abwickler

Zudem unterstreicht Neumann die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells. Mit zunehmender Menge an verwalteten Lebenspolizzen nehmen die Kosten pro Vertrag weiter ab. Genau das ist auch die Zielsetzung von Frankfurter Leben, wie Neumann anhand von Bestandszahlen zum insgesamt 800 Milliarden Euro schweren deutschen Gesamtmarkt vorrechnet. Rund ein Fünftel davon könne zu Abwicklungsgesellschaften wandern, wovon sich Frankfurter Leben mittelfristig einen 20-prozentigen Marktanteil sichern will. Das wäre ein Bestand von rund 32 Milliarden Euro, den der mehrheitlich der chinesischen Beteiligungsgesellschaft Fosun International gehörende Abwickler künftig verwalten will.

Was Versicherer zu einem Verkauf des Altgeschäfts bewegt? "Die niedrigen Zinsen und die strengeren Kapitalanforderungen sorgen dafür, dass ein großer Teil der Versicherer über das Thema Run-off nachdenkt", sagt Neumann. "In den kommenden Jahren dürfte die Zahl der Anbieter vermutlich um rund ein Drittel sinken."

Was das für Konsumenten bedeutet, erklärt Reiner Will, Chef der Kölner Ratingagentur Assekurata. "Im Grundsatz darf der Kunde im Run-off nicht schlechtergestellt sein als vorher", betont er gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Das gelte etwa für die Kreditwürdigkeit des Käufers, die Eigenmittel und die zu erwartende Überschussbeteiligung. Dennoch sieht der freie Versicherungsmathematiker Bernd Heistermann "erhebliche Risiken". Etwa dadurch, dass ein Abwickler ohne Neugeschäft bei der Festlegung der Überschussbeteiligung nicht mehr darauf achten müsse, ob man damit am Markt auch neue Kunden anlocken könne.

In Österreich bisher nur Einzelfälle

In Österreich sind laut Klaus Grubelnik, Sprecher der Finanzmarktaufsicht (FMA), derzeit keine derartigen Transaktionen anhängig. Bisher seien "nur sehr vereinzelt" bei einem Rückzug aus dem Lebensversicherungsgeschäft Portfolios auf andere Assekuranzen übertragen worden. Grubelnik betont ebenso wie heimische Versicherer, dass die Garantiezinssätze in Österreich tiefer seien als in Deutschland – also sinngemäß, dass der Schuh hierzulande weniger stark drückt. Auch Frankfurter-Leben-Chef Neumann hegt laut eigenen Aussagen derzeit keine Pläne für einen Markteintritt in Österreich.

"Dass es bei uns auch solche Formen annimmt, sehe ich derzeit nicht", sagt Verbraucherschützer Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation. Ausschließen könne er es aber auch nicht, sollte das Zinsniveau länger so tief bleiben. "Wenn es doch so weit kommt, würde ich nicht sagen, dass der Kunde besser aussteigt", sagt Hager und fügt hinzu: "Dann sollte sich die FMA das sehr genau ansehen." (Alexander Hahn, 27.4.2017)