Bildungsministerin Hammerschmid (SPÖ) kündigt schon vor Begutachtungsende Nachbesserungen an – es könnten mehr werden.

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Wien – Martin Rauch macht sich Sorgen. Sohn Moritz ist gerade einmal viereinhalb Jahre alt, die Schulwahl ist aber längst ein Thema. Und das, obwohl die Eltern ihren Sohn am liebsten noch ein zusätzliches Kindergartenjahr ermöglichen wollen. Moritz hat das Downsyndrom. Rauch: "Er müsste mit sechs Jahren in die Schule kommen, dann ist er aber auf dem Stand eines Dreijährigen."

Wie andere Eltern mit Kindern mit Downsyndrom hat er sich nun am Begutachtungsverfahren zum Bildungsreformgesetz beteiligt. Seine Meinung zum Vorhaben von Bildungsministerin Sonja Hammerschmid: "Es ist schwer, sich hier ein Bild über die Zukunft zu machen. Viele Aspekte sind überhaupt kein Thema." So fordert er – wie auch der Verein "Downsyndrom Österreich" – ein Recht auf Schule bis zum 25. Lebensjahr. Außerdem müsse es ein Wahlrecht für ein zusätzliches Kindergartenjahr geben.

"Ein erster Schritt"

Unterstützung gibt es von der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, die als Dachorganisation über 70 Behindertenverbände in Österreich vertritt und diese Punkte ebenso gerne im Reformvorhaben verankert gesehen hätte. Aber, so Vizepräsident Herbert Pichler: "Diese Reform ist ein erster Schritt. Jahrzehntelang ist nicht einmal das Mindeste geschehen." Fehlen würde auch ein Rechtsanspruch auf ein elftes und zwölftes zusätzliches Schuljahr. Daran werde gearbeitet, heißt es dazu im Ministerium.

Ein Problembereich für Eltern mit Kindern mit Behinderung ist die Nachmittagsbetreuung. Während der Unterricht vormittags inklusiv organisiert werden könne, läuft es danach "exkludiert" ab: Der Fahrtendienst bringt die Kinder zu einer anderen Einrichtung. Vereine wie die "Elterninitiative Nachmittags- und Ferienbetreuung für Kinder mit Behinderung" fordern ein "gesetzlich verankertes und durchsetzbares Recht" auf Nachmittagsbetreuung.

Bisher sind mehr als 600 Stellungnahmen zum Gesetz für die Bildungsreform eingegangen, die Frist endet am Sonntag.

· Inklusion: Es ist vorgesehen, dass die Zentren für Inklusiv- und Sonderpädagogik (ZIS) aufgelöst werden. Diese Zentren bestimmen in den einzelnen Regionen über den sonderpädagogischen Förderbedarf der Kinder und teilen sie bestimmten Schulen zu. Wenn diese Verantwortung wie geplant zu den neu geschaffenen Bildungsdirektionen wandert, würden Beamte und nicht ausgebildete Experten darüber entscheiden, lautet die Befürchtung. Ministerin Hammerschmid beruhigt: Die regionale sonderpädagogische Betreuung werde es auch künftig geben, die Bildungsdirektionen sollen nur die Entscheidung darüber treffen, welche Kinder Förderbedarf erhalten, sagte sie zur Austria Presse Agentur. So sollen Interessenkonflikte vermieden werden. Derzeit sind ZIS fast immer an Sonderschulen angeschlossen, wodurch dieselbe Person, die eine Sonderschule leitet, über den Förderbedarf entscheidet und so selbst dafür sorgen könnte, dass ihr Standort genug Schüler hat.

· Klassenschülerhöchstzahl: Die Gewerkschaft kritisiert die Abschaffung der Klassenschülerhöchstzahl von 25: "Schulen und Bildung sind öffentliche Aufgaben und bedürfen einer Rahmenregelung unabhängig von Schulstandort, Bundesland und österreichweiter Gegebenheit."

· 50-Minuten-Einheit: Mit der Reform soll es der Vergangenheit angehören, dass eine Schulstunde 50 Minuten dauern muss. Die Einheit bleibt aber die Berechnungsgröße für Lehrergehälter. Die Wiener Lehrergewerkschafter fürchten dadurch einen "kaum zu bewältigenden Aufwand für die Organisation der Diensteinteilung".

· Ganztagsschulen: Obwohl das Gesetz eigentlich mehr Schulautonomie bringen soll – so können Schulleiter künftig bei der Auswahl der Lehrer mitreden -, bringt es auch Einschränkungen. Die Ganztagsschulen dürfen etwa jeden Freitag und an einem weiteren Wochentag nur bis 13 Uhr Lernzeit anbieten. "Damit geht vorhandene Schulautonomie zu hundert Prozent verloren", kritisieren die Direktoren der Wiener Ganztagsschulen. Das Bildungsministerium hat bereits angekündigt, hier nachschärfen zu wollen.

· Schulcluster: Einzelne Schulstandorte können sich künftig zu Clustern zusammenschließen, in besonderen Fällen kann sie die Behörde dazu zwingen. Die Gewerkschaft lehnt dies ab, die Zusammenlegung soll freiwillig passieren. Die AHS-Direktoren lehnen es ab, dass Cluster bis zu 2500 Schüler beherbergen können. Dies würde zusätzlichen Administrationsaufwand bringen und die Kommunikation mit der "Basis" verschlechtern.

Durch sehr viele Stellungnahmen zieht sich vor allem ein Kritikpunkt: Die Reform soll kostenneutral sein. Pädagogische Verbesserungen seien so nicht möglich, lautet der Tenor.

Die Wiener Lehrergewerkschafter treffen sich heute, Donnerstag, zu einer Informationsveranstaltung. Der Wiener Elternverband der höheren und mittleren Schulen hat eine Petition gegen das Autonomiepaket gestartet. (Lisa Kogelnik, Peter Mayr, 27.4.2017)