Magdeburg – Gerste (Hordeum vulgare) zählt zu den wichtigsten Getreidearten der Welt. Die Erntemenge liegt zwar weit hinter dem uneinholbaren Spitzentrio Reis, Mais und Weizen – mit etwa 145 Millionen Tonnen jährlich aber ihrerseits um eine Größenordnung über der von Hafer oder Roggen. Bedeutend ist sie vor allem als Tierfutter (Wintergerste) und in der Brauereiindustrie (Sommergerste).

Ein internationales Forscherteam hat nun das Erbgut dieser wichtigen Kulturpflanze entschlüsselt. Unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) gelang es den Wissenschaftern in zehnjähriger Arbeit, das komplexe Genom der Gerste zu analysieren. Ihre Ergebnisse stellen die Wissenschafter aus zehn Nationen im Fachmagazin "Nature" vor.

Gewünschte Eigenschaften leichter zu finden

Nils Stein vom IPK leitet das internationale Konsortium zur Sequenzierung des Gerstengenoms seit 2008. Die nun entstandene sogenannte Referenzsequenz des Erbguts sei unter anderem für Züchter sehr hilfreich. "Früher mussten Züchter bei Kreuzungen erst abwarten: ist die Pflanze wirklich besonders ertragreich oder resistent gegen einen Schädling", sagte Stein. Inzwischen würden sogenannte molekulare Marker eingesetzt, da die Eigenschaften immer genreguliert seien.

"Auch kleinere Betriebe arbeiten damit, isolieren von den Pflanzen schon im Samen- oder Keimstadium DNA und prüfen, ob die gewünschte Eigenschaft vorhanden ist." Nur diese Pflanzen würden aufbewahrt und vermehrt, die Züchtung von neuen erwünschten Merkmalen so deutlich beschleunigt. Dank der Entschlüsselung des Gerstengenoms sei das jetzt auch bei der Ackerpflanze möglich. Die Erkenntnisse könnten auch dazu beitragen, die Qualität von Gerstenmalz für die Bierherstellung zu verbessern.

Fünf Milliarden Bausteine

Für ihre Untersuchung haben die Forscher das Erbgut mit seinen rund fünf Milliarden Bausteinen zunächst zerstückelt. Dann analysierten sie die einzelnen Schnipsel und bestimmten deren Abfolge auf den insgesamt sieben Chromosomen. So konnten sie schließlich auch die Verteilung einzelner Gene im Erbgut bestimmen. Das Erbgut der Gerste ist den Wissenschaftern zufolge fast zweimal größer als das des Menschen. Zudem gebe es viele Sequenzen, die mehrfach vorkämen. Das habe die Entschlüsselung so aufwendig gemacht.

Die Wissenschafter untersuchten auch die genetische Vielfalt in mehr als 90 modernen Sorten von Winter- und Sommergerste. Diversität sei etwa wichtig, um die Ackerpflanze an veränderte klimatische Bedingungen wie lange Trockenheit oder Starkregen anpassen zu können, sagte Stein. Auch die Widerstandsfähigkeit gegenüber Schädlingen liege im Erbgut begründet. Vor einigen Jahren habe etwa ein Rostpilz im Weizen für schwere Schäden gesorgt und im Zuchtmaterial habe es keine natürlichen Resistenzen gegeben.

Die vorgelegte Referenzsequenz soll in solchen Fällen bei der schnellen Suche nach entsprechenden Eigenschaften im Erbgut der Gerstensorten helfen. Das IPK in Gatersleben forscht selbst mit den Ergebnissen weiter – und gleicht die Referenz mit den 22.000 Samenmustern von Gerstensorten aus der ganzen Welt ab, die in der eigenen Datenbank vorliegen. Zudem kooperierten sie mit weiteren internationalen Forscherteams, die auch das Erbgut von Brot- und Hartweizen knacken wollen, wie Stein sagte. (APA, red, 27. 4. 2017)