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Festnahmen in Kayseri

Foto: Reuters/Olcay Duzgun/Dogan News Agency

Ankara – Im Zuge der Großrazzien in der Türkei sind 3.224 Haftbefehle ausgestellt worden. Das berichteten die Nachrichtensender CNN Türk und NTV am Mittwoch. Die Operation begann in den frühen Morgenstunden und dauerte am Nachmittag noch an. 1.120 Personen wurden landesweit bereits in Gewahrsam genommen, sagte Innenminister Süleyman Soylu vor Journalisten in Ankara.

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Allein in Istanbul seien 390 Haftbefehle erlassen worden. Soylu sprach von einem "wichtigen Schritt im Interesse der türkischen Republik". Es soll sich um ein Netzwerk handeln, das die Polizei infiltriert habe und sich die "heimlichen Imame" nenne. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan beschuldigt diese, Anhänger der Gülen-Bewegung zu sein. Der Regierungskritiker Fethullah Gülen wird für den Putschversuch im Juli vergangenen Jahres verantwortlich gemacht.

Liste mit 7.000 Namen

Die Zeitung "Hürriyet" berichtete unter Berufung auf anonyme Quellen, landesweit seien Haftbefehle gegen insgesamt 7.000 Verdächtige ausgestellt werden. Es gebe eine "Liste mit 7.000 Namen". Bei den Razzien habe die Polizei mit dem türkischen Inlandsgeheimdienst MIT zusammengearbeitet. Der MIT steht im Verdacht, auch in Österreich und Deutschland Anhänger der Gülen-Bewegung auszuspionieren.

Der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge waren rund 8.500 Polizisten an der landesweiten Aktion beteiligt, der bereits zahlreiche Razzien in den vergangenen Monaten vorausgingen. Seit der versuchten Machtübernahme wurden in der Türkei mehr als 40.000 Menschen verhaftet. Zudem wurden 120.000 Beschäftigte unter anderem des öffentlichen Dienstes, der Justiz, der Polizei und des Militärs entlassen oder suspendiert.

Nichtregierungsorganisationen und EU-Staaten sind besorgt über die verschlechterte Menschenrechtslage in der Türkei und beklagen Repressionen vor allem von Kurden und kritischen Medien. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) erklärte am Mittwoch, die Lage für Journalisten und Medien habe sich wegen der "beispiellosen Repressionswelle seit dem Putschversuch im vergangenen Sommer erneut verschlechtert".

Referenden zu EU und Todesstrafe

Vor rund eineinhalb Wochen hatte Präsident Erdogan das umstrittene Referendum über die geplante Verfassungsreform knapp gewonnen. Dadurch erhält Erdogan deutlich mehr Befugnisse. Kritiker sehen hingegen Demokratie, Pressefreiheit und Menschenrechte in Gefahr.

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sagte Erdogan, er sei bereit, ein Referendum zur EU in der Türkei abzuhalten. "Warum sollen wir noch länger warten? Wir sprechen bereits seit rund 54 Jahren." Die EU habe nicht begriffen, dass sie die Türkei brauche, um ihr Fortbestehen zu sichern. Gleichzeitig kritisierte er die Entscheidung des Europarates vom Dienstag, die Türkei unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen wieder unter Beobachtung zu stellen. (APA, 26.4.2017)