Syrische Flüchtlingsfrauen mit Kind in einem Lager an der syrisch-türkischen Grenze. Als Mütter haben sie nicht das Recht, ihre Staatsbürgerschaft an ihren Nachwuchs weiterzugeben.

Foto: AFP / Delil Souleiman

Genf/Wien – Betroffen sind ganze Volksgruppen wie zum Beispiel die muslimischen Rohingya im südostasiatischen Myanmar: laut Schätzungen rund eine Million Menschen, denen die Regierung die Staatsbürgerschaft verweigert. Sie sind staatenlos und außerdem massiven Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt.

Auch eine unbekannte Zahl von Menschen aus Ländern wie dem Iran, Katar, Kuwait, dem Libanon, Syrien oder dem Irak besitzt keine Staatsangehörigkeit. Sie wurden abseits der in ihren Gesellschaften üblichen Familienstrukturen geboren, etwa mit unbekanntem Vater – und ihre Mütter hatten nicht das Recht, ihre Nationalität an sie weiterzugeben. Insgesamt ist das in 26 arabischen und afrikanischen Staaten so, in manchen mit Einschränkungen.

Weltweit zehn Millionen Betroffene

Weltweit dürfte es rund zehn Millionen Menschen ohne Staatsangehörigkeit geben, schätzt das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR). Die Betroffenen haben aufgrund ihrer bürokratischen Nichtexistenz Probleme: von fehlenden Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen hin zu oft unüberwindlichen Hürden vor Eheschließungen oder Firmengründungen. Auch geben sie ihren ungesicherten Status vielfach an ihre Kinder weiter.

Zum 60. Jahrestag des Übereinkommens zur Rechtsstellung von Staatenlosen aus dem Jahr 1954 hat das UNHCR 2014 eine zehnjährige Kampagne gestartet. Ziel: Bis 2024 soll Staatenlosigkeit weltweit beseitigt werden. Und zwar auch in Europa, wo die Existenz hunderttausender Staatenloser infolge des Zweiten Weltkriegs in den 1950er-Jahren den Antrieb für den Beginn der UN-Aktivitäten gab.

Österreich: Geschätzte 11.628 Staatenlose

So lebten etwa 1951 in Österreich laut Volkszählung 246.054 Staatenlose. Bis 2008 waren die Zahlen laut Statistik Austria auf 6020 Personen zurückgegangen – um dann wieder anzusteigen. Zu Jahresbeginn 2016 schätzte die Statistik Austria die Zahl der Betroffenen auf 11.628 – eine Folge vor allem der Fluchtbewegungen, etwa von staatenlosen Palästinensern.

Genau jedoch kenne man den Umfang des Problems auch in Österreich nicht, sagt Ruth Schöffl vom UNHCR in Wien. Tatsächlich streicht ein im Rahmen der weltweiten Kampagne zu Wochenbeginn veröffentlichter, dem Standard vorliegender Staatenbericht über Österreich unter anderem das Fehlen eines Behördenverfahrens, um Staatenlosigkeit offiziell festzustellen, heraus.

Ministerium: Im Asylverfahren geklärt

Mit dem 2008 erfolgten Beitritt zum UN-Übereinkommen gegen Staatenlosigkeit aus 1954 erklärte sich Österreich bereit, ein solches Prozedere einzuführen. In Belgien, Finnland, Schweden, den Niederlanden, Malta und Großbritannien gebe es derlei bereits, ergänzt Schöffl. Im Innenministerium entgegnet ein Sprecher, dass die "Thematik" der Staatenlosigkeit in Österreich "fast ausschließlich im Rahmen von Asylverfahren" stattfinde und dort auch "geklärt" werde. Ein eigenes Verfahren gebe es "aktuell aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht".

Laut dem Österreich-Bericht sind hierzulande zwar überwiegend, aber nicht ausschließlich Asylwerber von Staatenlosigkeit betroffen.

Ein Feststellungsverfahren würde Basis für weitere Verbesserungen im Sinne der UN-Vereinbarungen sein, etwa einfachere Möglichkeiten für Staatenlose, Österreicher zu werden, meint Schöffl. Vor allem für im Land staatenlos geborene Kinder brauche es Verbesserungen. Derzeit müssten diese Kinder 18 Jahre auf ihre Einbürgerung warten. (Irene Brickner, 25.4.2017)