Für die 12.500 Mitarbeiter der vor dem Aus stehenden maroden Fluglinie Alitalia dürften düstere Zeiten anbrechen. Nach Ablehnung eines Sparprogramms durch die Belegschaft in der Nacht auf Dienstag droht der tief in der Verlustzone fliegenden Airline die Zwangsverwaltung und anschließende Zerschlagung.
Für die Fluggäste in Italien dürfte sich vorderhand nicht allzu viel ändern. Andere Airlines stehen in Startposition und werden die freiwerdenden Slots rasch besetzen, sagen Experten.
Zwei Drittel dagegen
Mehr als zwei Drittel der Alitalia-Mitarbeiter haben dem vom Management, den Gewerkschaften und der Regierung ausgehandelten Rettungsplan zuvor eine deutliche Abfuhr erteilt. Die jüngste, abgeschwächte Version sah den Abbau von 980 statt ursprünglich geplanter 2.000 Arbeitsplätze vor, außerdem die Kürzung von Gehältern um acht statt der zunächst geplanten 30 Prozent sowie weniger Ruhetage und Dienstalterszulagen.
Um die Airline ab 2019 wieder in die Gewinnzone zu bringen, hätten Aktionäre und Banken zwei Milliarden Euro frisches Kapital zur Verfügung gestellt. Nun haben die Banken, allen voran Unicredit und Intesa Sanpaolo, weitere Kapitalhilfen ausgeschlossen. Noch zu Wochenbeginn hatte Regierungschef Paolo Gentiloni gewarnt, dass es keine Alternative zu dem Plan gebe.
20 Jahre Verlust
Die Airline schreibt seit 20 Jahren Verluste. Analysten des Beratungsinstituts Bruno Leoni schätzen den täglichen Verlust, den Alitalia zuletzt eingeflogen hat, auf bis zu eine Million Euro. Ab Mai stehen keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung, um den Betrieb zu garantieren. In Summe haben Italiens Steuerzahler bereits mit mehr als zehn Milliarden Euro für die marode Airline geblutet.
Da auch die Abwicklung der Airline rund eine Milliarde kosten dürfte, wird eine "italienische" Lösung nicht ausgeschlossen. Noch dazu, da spätestens im Frühjahr Neuwahlen stattfinden.
Laut Medienberichten hat die arabische Etihad, die mit 49 Prozent an Alitalia beteiligt ist, bereits Gespräche mit Lufthansa geführt, dass diese nach der geplanten Sanierung Alitalia übernimmt. Sollte Alitalia tatsächlich die Insolvenz beantragen und in Konkurs gehen, könnte Lufthansa die marode Airline oder zumindest Teile davon billiger haben.
Der ewige Patient
Die vor 70 Jahren gegründete und 2009 privatisierte Alitalia ist zum "ewigen Patienten" Italiens geworden. Weder die Allianz mit Air France noch die 2014 erfolgte Mehrheitsbeteiligung der arabischen Etihad konnten die Verluste stoppen. Alitalia ist nicht nur infolge der hohen Personalkosten gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen geraten. So verdient bei gleicher Flugstundenzahl etwa ein Ryanair-Chefpilot monatlich 6.300 Euro, der gleichrangige Alitalia-Pilot bekommt 10.000 Euro.
Alitalia ist auch bei den rentablen Weitstreckenflügen im Nachteil. Etihad forderte, dass die Indien- und Chinaflüge über Abu Dhabi geleitet werden – zugunsten von Etihad und auf Kosten von Alitalia. Und auch bei den Transatlantikflügen hat Alitalia keine freie Hand, da die Allianz mit Air France, KLM und Delta den Spielraum der Italiener einengt.
Kardinalfehler
Zu den Kardinalfehlern zählte auch die Verlagerung des Drehkreuzes vom Mailänder Flughafen Malpensa nach Rom-Fiumicino. Damit verlor Alitalia wichtige Kunden aus Norditalien und der angrenzenden Schweiz.
Inzwischen hat der Billigflieger Ryanair einen Großteil der ehemaligen Alitalia-Slots in Malpensa übernommen, 1.300 neue Arbeitsplätze geschaffen und den Mailänder Airport zu einem seiner Drehkreuze in Norditalien gemacht. Easy Jet hat bereits die gesamte Malpensa-2-Flughalle in Beschlag genommen. Malpensa hat inzwischen den Alitalia-Exodus überwunden. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, 25.4.2017)