Der digitale Wandel stellt aus Sicht der deutschen Bundesregierung traditionelle Produktionsmethoden und auch bisherige Managementstrukturen auf den Kopf. "Das ist vielleicht die unbequeme Botschaft der Hannover Messe für das Management: Industrie 4.0 führt dazu, Management-Kontrolle abzugeben – auch an Mitarbeiter, die in einer viel größeren Eigenständigkeit und Flexibilität arbeiten müssen", sagte am Dienstag Georg Schütte, Staatssekretär aus dem Bundesforschungsministerium, bei einer Zwischenbilanz der 2015 gegründeten Plattform Industrie 4.0 auf der Hannover Messe.

Organisationswandel

Sie bedeute neben Zusatz-Qualifikationen auch Organisationswandel: "Sie zielt darauf ab, Produktion flexibel zu machen – und das heißt am Ende den Umbau aller Abläufe und aller Prozesse." Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) aus dem Bundeswirtschaftsministerium drängte dabei zur Eile: "Wer sich nicht digitalisiert, wird künftig nicht mehr am Markt sein", sagte er und betonte: "Wir müssen Unternehmen komplett neu erfinden." Dazu müssten Betriebe aber nicht neu aufgebaut werden, sondern könnten digital aufgerüstet werden.

Die deutsche Bundesregierung sehe die Bedeutung des Themas und werde es künftig stärker flankieren müssen, sagte Machnig – etwa über den Aufbau von bundesweit 16 Kompetenzzentren für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch steuerliche Fördermaßnahmen. Gedacht seien zudem sogenannte Erprobungszentren, bei denen vor allem der Mittelstand neue Produktionsmethoden testen könne. Zudem sollten die Angebote für Zusatz-Qualifikationen der Mitarbeiter gesteigert werden. Um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müsse das Thema in den kommenden Jahren verbreitert und vertieft werden.

Rahmenbedingungen für die Umsetzung der vernetzten Produktion

Die 2015 gegründete Plattform Industrie 4.0 soll Rahmenbedingungen für die Umsetzung der vernetzten Produktion gestalten. Ihr gehören ranghohe Vertreter sozialer, politischer und wirtschaftlicher Gruppen an. Das Gremium bescheinigte ihm erste Fortschritte. Die Festlegung von Industriestandards etwa seien von prägender Bedeutung.

SAP-Vorstand Bernd Leukert betonte die Bedeutung der globalen Kooperation bei der Festsetzung dieser Standards. "Die Wertschöpfungsketten enden nicht an den Landesgrenzen", sagte er. Es gelte vor allem, die bilateralen Kooperationen mit Japan, Frankreich und China auszubauen. Trotz diverser Unklarheiten durch die neue US-Regierung sieht er durch sie keine Hürden bei der Zusammenarbeit mit den USA. Die Digitalisierung sei schließlich nur durch internationale Kooperation möglich.

International gehört Deutschland nach Ansicht von Machnig zu den globalen Vorreitern bei digitalen Industrieanwendungen. "Deutschland ist zu einem Leitmarkt und einem Leitanbieter für Technologie im Bereich Industrie 4.0 geworden – und alle Debatten darüber, dass wir die erste Halbzeit der Digitalisierung verloren hätten, gehen an der Realität vorbei", sagte er. Deutschland habe mit Südkorea und Japan die Nase vorn. (APA, 25.4.2017)