Emmanuel Macron lässt sich am Wahlsonntag von seinen Anhängern feiern.

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Solche Bilder kennen die Franzosen sonst nur von gewählten Präsidenten. Kohorten von Kameraleuten und Fotografen folgten Sonntagabend der Limousine Emmanuel Macrons durch das nächtliche Paris. Dann, nach langem Warten der Anhänger, sprang der Sieger des ersten Präsidentschaftswahlgangs endlich auf die Bühne. Ein Fahnenmeer empfing ihn und seine Frau Brigitte. "Ja, ich wünsche mir, in zwei Wochen euer Präsident zu werden", rief der 39-Jährige in die euphorische Menge, die Arme hochreißend. "Wir werden gewinnen!"

Macron, der aus dem Nichts gekommene Kandidat der Mitte, erhielt dem Endergebnis zufolge 24,01 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei folgte die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit 21,3 Prozent. In Hénin-Beaumont im Norden Frankreichs bewirkte sie Jubelrufe, aber keinen Begeisterungssturm. Das sei keine Enttäuschung, erklärte die Kandidatin des Front National (FN). Während Macron von "Optimismus" und "Hoffnung" sprach, giftete Le Pen gegen ihn, weil er als "Erbe Hollandes" keine Wende verspreche.

"Republikanische Front" gegen Le Pen

In ersten Umfragen werden Macron für den zweiten Wahlgang am 7. Mai 62 Prozent der Stimmen gutgeschrieben, Le Pen 38 Prozent. Das ist einerseits ein klarer Abstand; er zeigt aber auch das Potenzial der bisherigen FN-Chefin, die in einem TV-Interview am Montagabend bekanntgab, sie werde den Parteivorsitz ruhend stellen, bis die Wahl geschlagen ist. Sie signalisierte damit erneut, aus dem Schatten ihres Vaters treten zu wollen, mit dessen Erinnerung der FN eng verbunden ist.

Jean-Marie Le Pen war 2002 mit 16,9 Prozent in die Stichwahl eingezogen, hatte dort aber nur um ein Prozent auf 17,8 Prozent zugelegt. Damals funktionierte die "republikanische Front" gegen Le Pen noch weitgehend.

Auch diesmal rufen fast alle unterlegenen Kandidaten von François Fillon bis Benoît Hamon zum Schulterschluss gegen Le Pen auf; nur der Linke Jean-Luc Mélenchon weigert sich, dem "Ultraliberalen" Macron seine Stimme zu geben. Auch Noch-Präsident François Hollande kündigte an, Macron zu wählen. Die Basis schwankt stärker: Je ein Drittel der Fillon- und Mélenchon-Wähler könnte laut den Umfrageinstituten zu Le Pen überlaufen. Das würde ihr aber eben nur eine Stimmenzahl von knapp 40 Prozent einbringen.

Diesen Befund bestätigen auch erste Wähleranalysen. Le Pen schnitt im ärmeren Osten und Norden sowie in dem von der Einwanderung stärker betroffenen Süden besser ab, Macron hingegen im Westen und im Zentrum. Le Pen zog eher Junge, Arbeitslose und Arbeiter an, Macron eher mittlere Alterskategorien und besser Gebildete. Die Umfrageinstitute sind erleichtert, dass sie die Frankreich-Wahl – anders als bei Brexit und Trump-Wahl – genau vorhergesagt hatten. Auch deshalb scheinen ihre Prognosen für den zweiten Wahlgang relativ glaubwürdig.

Macrons taktischer Fehler

Die Kampagne des zweiten Wahlgangs ist allerdings noch nicht gelaufen. Macron beging am Sonntagabend in seinem Überschwang einen taktischen Fehler: Er gab sich, als wäre die Wahl schon gelaufen, und lud spätabends prominente Vertreter des "Tout Paris" in die bekannte Brasserie La Rotonde ein. Das weckte unweigerlich Erinnerungen an die Schickimicki-Wahlfeier von Nicolas Sarkozy vor zehn Jahren. Als sich Grün-Politiker David Cormand via Twitter über die "unwürdige" Soirée beklagte, wurde sich Macron des Fehlers bewusst; hastig trat er vor das Lokal, um die Presse zu beschwichtigen.

Wenig zu feiern hatten die Sozialisten und die Konservativen. Der Sozialist Benoît Hamon, der mit 6,36 Prozent ein wahres Desaster erlebt hatte, rief zu einem Ende "des selbstzerstörerischen Wahnsinns" auf; er vermochte aber auch nicht zu sagen, wie die tiefe Spaltung in einen Realoflügel – der nun geschlossen zu Macron überläuft – und einen der "Frondeure" zu überwinden wäre.

Valls plädiert für Wiederaufbau

Davon profitierte auch Linksaußen Jean-Luc Mélenchon, der mit 19,58 Prozent der Stimmen ein Spitzenresultat erzielte. Um den wortstarken Euroskeptiker könnten sich nun auch viele Linkssozialisten scharen. Der sozialliberale Ex-Premier Manuel Valls plädierte am Montag für den "Wiederaufbau" der Partei, schien aber die "linksextreme" Fraktion um Hamon auszuschließen.

Bei den konservativen Republikanern musste sich der mit 20,01 Prozent unterlegene François Fillon Vorwürfe anhören, er habe mit seinem Beharren trotz Penelope-Affäre eine "unverlierbare" Wahl verloren. Er kündigte bereits an, die bürgerliche Rechte Frankreichs nicht in die Parlamentswahlen im Juni führen zu wollen. Er habe "nicht mehr die Legitimität", diesen "Kampf" zu führen.

Der gemäßigte Gaullist Alain Juppé rief am Montag zu einem Kurswechsel auf, um Wähler zurückzugewinnen. Die Sarkozy-Anhänger verlangen hingegen einen klaren Rechtskurs. Damit steht auch den Republikanern ein Richtungsstreit ins Haus. Erstmals überhaupt seit 1958 nicht in der Stichwahl vertreten, droht ihnen auch eine Niederlage bei den Parlamentswahlen im Juni. (Stefan Brändle aus Paris, 24.4.2017)