Mit den aufgetauchten Wählerverzeichnissen könnten unzulässige Doppelstaatsbürgerschaften aufgedeckt werden.

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Wien/Ankara/Salzburg – Die Länder haben nach eigenen Angaben noch nicht jene aktuell kursierenden Wählerlisten vom türkischen Präsidial-Referendum, über die Doppelstaatsbürgerschaften aufgedeckt werden könnten. Interesse daran hätte man jedoch schon, ergab ein APA-Rundruf. In Besitz solcher Listen ist eigenen Angaben zufolge der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz, der aber mit der Übermittlung zuwartet.

In den vergangenen Tagen wurden einigen wenigen Medien entsprechende Wählerlisten zugespielt. Auch der APA liegen auf einer CD zwei Excel-Listen vor. Deren Authentizität ist nicht überprüfbar. Eine Datei stammt aus dem Jahr 2015, die zweite wurde zuletzt im Februar 2017 geändert. Die ältere Liste umfasst rund 16.000 erwachsene Personen mit Namen, die aktuellere 45.000. Auf beiden Listen ist niemand später als 1997 geboren.

Keine direkten Hinweise auf Wahlberechtigung

Es dürfte sich um in Österreich lebende Personen handeln, für die das türkische Generalkonsulat in Wien die Auslandsvertretung wahrnimmt. Darauf, dass es sich dabei um in der Türkei Wahlberechtigte handelt, gibt es keine direkten Hinweise. Allerdings ist pro Person die elfstellige Ausweisnummer der Republik Türkei (TC KIMLIK NO) vermerkt. Eine solche ist jedem türkischen Staatsbürger zugeordnet, sie stellt eine eindeutige persönliche Identifikationsnummer dar.

Neben dieser "Kimlik Numarasi", dem Vor- und Nachnamen, Geschlecht sowie Geburtsort und -datum sind auch die Vornamen der Eltern eingetragen. Weiters sind Ort und Bezirk der Registrierung sowie Stadt und Land im Ausland angegeben. In den meisten Fällen ist auch die österreichische Wohnadresse aufgelistet.

Pilz fordert Koordinierung

Der Grünen-Politiker Pilz erklärt im Gespräch mit der APA, seines Wissens die aktuellen Wählerlisten zur Gänze in seinem Besitz zu haben. So einfach den Ländern übermitteln will er sie jedoch nicht. Denn Pilz besteht darauf, dass das Innenministerium die Koordinierung übernimmt und Vorkehrungen getroffen werden, dass jene, die ohne ihr Wissen Doppelstaatsbürger waren, keine Nachteile zu erwarten haben.

Zudem tritt Pilz dem Vorschlag seiner Parteikollegin Berivan Aslan bei, dass es eine Schonfrist für die freiwillige Rückgabe der türkischen Staatsbürgerschaft geben sollte. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hatte zuletzt ebenfalls Sympathien in diese Richtung gezeigt.

"Sensible Angelegenheit"

Es handle sich um eine "sensible Angelegenheit", betonte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) indes am Rande einer Pressekonferenz. Die Ressortverantwortlichkeit liege beim Innenminister, der sich mit den zuständigen Bundesländern abstimmen werde. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner müsse man sich auf Bundesebene ansehen, ob weitere Sanktionen für illegale Doppelstaatsbürgerschaften notwendig seien, erinnerte Mitterlehner an die Forderung des Innenministers nach Geldstrafen.

Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte, sein Ressort kenne die Listen noch nicht. Auch er erklärte, es sei noch nicht klar, ob es sich um Originale handle. Außerdem sei es nicht Aufgabe seiner Behörde, etwaige Listen zu prüfen. "Ich bin nicht die Vollzugsbehörde, das sind die Länder und Bezirkshauptmannschaften."

Zu den Äußerungen von Pilz, wonach der davon ausgeht, das gesamte austro-türkische Wählerverzeichnis mit 107.877 Namen zu haben, zeigte sich Sobotka skeptisch: "Ich kenne den Kollegen Pilz, es geht ihm um die Publicity. Nur ich habe derzeit wirklich gravierende Herausforderungen in anderen Bereichen zu meistern. Das ist nicht das erste Sicherheitsrisiko des Landes Österreich."

"Gehen jedem Verdacht nach"

Aktiv an Pilz herangetreten ist bisher nur das Bundesland Salzburg, das sich auch an den ORF Oberösterreich gewandt hat, der ebenfalls im Besitz von Listen sein soll. Selbst habe man keine vorliegen. "Wir gehen jedem Verdacht nach, brauchen dazu aber diese Unterlagen", hieß es am Montag aus dem Büro von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) auf Anfrage. Liegen diese Listen vor, will das Land überprüfen, ob und wie viele Wahlberechtigte tatsächlich illegale Doppelstaatsbürgerschaften haben.

Im Büro des zuständigen oberösterreichischen Landesrates Elmar Podgorschek (FPÖ) rechnet man damit, die Listen zu bekommen, allenfalls wolle man "nachstoßen". Auf jeden Fall wird man die Wählerlisten einer eingehenden Prüfung unterziehen: "Es gibt ja auch legale Doppelstaatsbürgerschaften, das muss man sich von Fall zu Fall anschauen, und das kann dauern."

Nur aus Medien erfahren

Auch in Tirol war die zuständige Behörde Montagvormittag nicht im Besitz der Listen mit angeblich türkischen Wahlberechtigten in Österreich. "Wir haben von deren Existenz bisher nur aus den Medien erfahren", sagte der Leiter der Abteilung Staatsbürgerschaft beim Amt der Tiroler Landesregierung, Martin Plunger. Daher könne man derzeit auch noch keine Beurteilung über deren Gehalt abgeben.

Der zuständige Referatsleiter beim Land Steiermark, Peter Schröttner, erklärte am Montag auf Anfrage, dass seiner Abteilung bisher keine Wählerlisten zugespielt wurden. Jedoch habe man großes Interesse daran und würde die Daten prüfen, wenn man an sich gelangen würde.

In der zuständigen Wiener Magistratsabteilung 35 heißt es, sollte ein entsprechender Datenträger einlangen, werde man sich diesen ansehen – und bei Verdachtsfällen ein Feststellungsverfahren einleiten. Das sei die übliche Vorgangsweise, wurde im Rathaus betont

"Aufgabe des Innenministeriums"

Kärnten hat die türkischen Wählerlisten ebenfalls nicht und hat auch nicht vor, selbstständig tätig zu werden, um sie zu bekommen. "Das ist Aufgabe des Innenministeriums", sagte ein Sprecher von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zur APA. Erst wenn das Innenministerium die Listen übermittle und die Länder mit einer Prüfung beauftrage, werde Kärnten eine Untersuchung einleiten, so der Sprecher. Im südlichsten Bundesland sei das Potenzial aber ohnehin gering. Seit 2010 seien nicht mehr als 130 türkischstämmige Personen eingebürgert worden – Kinder und Erwachsene zusammengenommen. In Kärnten leben derzeit 857 türkische Staatsbürger.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat in der Debatte um illegale türkische Staatsbürgerschaften die hier lebenden Erdogan-Anhänger aufgefordert, Österreich zu verlassen. "Tun Sie also sich und Ihrem Präsidenten einen Gefallen, und kehren Sie in ihr Land zurück", postete der Oppositionspolitiker am Montag auf Facebook einen zynischen Beitrag – 786 Wörter lang. (APA, 24.4.2017)