Christine Lagarde fordert die Wirtschaftsmächte zum Umdenken auf.

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Washington – Angesichts drohender Handelskriege fordert der Internationale Währungsfonds (IWF) die großen Wirtschaftsmächte zum Umdenken auf. IWF-Chefin Christine Lagarde mahnte auf der Frühjahrestagung der Organisation eine gerechtere Verteilung des Wohlstands an. Statt sich einseitig auf die Dynamik des Wachstums zu konzentrieren müsse die Politik stärker darauf achten, dass mehr Menschen von dessen Früchten profitieren, sagte sie am Wochenende auf einer Pressekonferenz in Washington.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble rief dazu auf, die Kluft zwischen Arm und Reich in der Welt zu schließen. "Wenn wir nichts tun, um das zu ändern, werden populistische Parteien und Demagogen an Gewicht gewinnen und es wird zu einer wachsenden Instabilität überall in der Welt kommen mit ihren negativen Auswirkungen auf das nachhaltige Wachstum." Wichtig ist seinen Worten nach insbesondere eine Stärkung des afrikanischen Kontinents. Dazu stößt Deutschland, das derzeit die Präsidentschaft in der Gruppe der führenden 20 Industrie- und Schwellenländer (G20) innehat, die Investitionsinitiative "Compact with Africa" an. Sie soll private Geldgeber in aufstrebende Entwicklungsländer locken.

Gefahren für die Weltwirtschaft

Nach der Brexit-Entscheidung der Briten und dem Wahlsieg von US-Präsident Donald Trump fürchtet der IWF weitere Gefahren für die Weltwirtschaft durch folgenreiche politische Weichenstellungen. "Im Raum stand die klare Erkenntnis, dass wir es nun stärker mit geopolitischen Risiken zu tun haben als mit finanziellen und ökonomischen Risiken", sagte Lagarde. Im Blick hat die frühere französische Finanzministerin aktuell die Präsidentenwahl in ihrem Heimatland, deren erste Runde am Sonntag stattfand. Sollte die rechtsextreme Euro-Gegnerin Marine Le Pen Präsidentin werden, könnte dies auch zu wirtschaftlichen Turbulenzen führen, warnte Lagarde.

Erhebliche Sorgen bereiten dem IWF die verschärften Handelskonflikte. Im Zentrum stehen die Ankündigungen von US-Präsident Trump, heimische Firmen mit Einfuhrbeschränkungen vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Nachdem der Fonds in seinem kürzlich vorgelegten Weltwirtschaftsausblick noch ausdrücklich vor nationalen Egoismen gewarnt hatte, wurde das Thema in der Abschlusserklärung der Tagung nun nicht ausdrücklich erwähnt. Der Begriff des Protektionismus sei zu mehrdeutig, erläuterte Mexikos Notenbankchef Agustin Carstens, der dem IWF-Lenkungsausschusses (IMFC) vorsitzt.

Deutschland am Pranger

Das IMFC-Kommunique ließ nicht zuletzt Anliegen des größten Anteilseigners USA erkennen. Die Mitglieder kündigten darin an, durch "geeignete politische Maßnahmen" die globalen Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen zurückzuführen. Am Pranger steht derzeit auch Deutschland mit seinen immensen Exportüberschüssen. Ferner wirft Trump China und Japan unfaire Handelspraktiken vor.

US-Finanzminister Steven Mnuchin bekräftigte vor dem IMFC die amerikanische Haltung. Er nannte Deutschland zwar nicht beim Namen, machte in seiner Rede aber eine Anspielung in Richtung der Bundesregierung: Länder mit großem Exportplus und soliden öffentlichen Finanzen hätten eine besondere Verantwortung für die globale Wirtschaft und müssten mehr investieren, unterstrich Mnuchin. Er appellierte zudem an den IWF, die Wechselkurse der Mitgliedsländer besser zu überwachen.

Schäuble verwahrte sich erneut gegen die Kritik. Er verwies darauf, dass die deutsche Regierung für die Exportvorteile durch den relativ schwachen Euro nicht verantwortlich sei, sondern die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer Niedrigzins-Politik. Die deutschen Handelsüberschüsse seien zudem Ausdruck der starken Nachfrage nach Qualitätserzeugnissen "made in Germany". (Reuters, 23.4.2017)