Denksport: Shaun Murphy (Bild) hat in Ronnie O'Sullivan einen äußerst schwierigen Gegner.

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Sheffield/Wien – Mit den Zuschauern hat Ronnie O’Sullivan an diesem Nachmittag seine liebe Not. Immer wieder beschwert sich der fünffache Weltmeister beim Schiedsrichter darüber, dass sich jemand innerhalb seines Sichtfeldes hin und her bewegt oder die Turnierruhe stört und ihn dadurch in der Vorbereitung auf den nächsten Stoß beeinträchtigt.

Man könnte annehmen, dass O’Sullivan sich mit diesen Interventionen selbst aus dem Rhythmus bringt, aber das Gegenteil ist der Fall: Auch in Session zwei des Achtelfinales gegen Shaun Murphy wirkt "The Rocket" nicht nur konzentriert, sondern geradezu beängstigend entschlossen, die Angelegenheit so rasch und deutlich wie möglich hinter sich zu bringen.

O'Sullivan zieht davon

Nachdem Murphy den Eröffnungsframe zum 3:7 holt, macht O’Sullivan die Hoffnungen seines Gegners auf ein schnelles Comeback mit zwei hohen Breaks zunichte und stellt rasch auf 9:3. Sogar die Höchsstrafe liegt zu diesem Zeitpunkt im Bereich des Möglichen: Wenn O’Sullivan die letzten vier Frames der Session gewinnt, könnte er seinen Gegner mit 13:3 und ohne dritte Session nach Hause schicken – genau das, was er Murphy im WM-Viertelfinale 2014 bereits einmal angetan und das Selbstvertrauen seines Kontrahenten damit nachhaltig angeknackst hatte.

Aber Murphy hat sich noch nicht aufgegeben. Mit starkem Break Building kämpft "The Magician" zuerst nur gegen die Schmach, bald aber auch wieder um einen möglichen Aufstieg ins Viertelfinale: Murphy holt drei Frames in Folge zum 6:9 und scheint damit O’Sullivans Rhythmus gebrochen zu haben. Wenn Murphy nun noch ein vierter Framegewinn zum 7:9 gelingt, dann wäre die Sache vor der letzten, am Samstag ausgetragenen Session plötzlich wieder alles andere als klar.

Grober Schnitzer von Murphy

Entsprechend umkämpft gestaltet sich der achte und letzte Frame dieser zweiten Session. Als Shaun Murphy schon wie der sichere Sieger aussieht, unterläuft ihm im Farbenendspiel ein grober Schnitzer. Er versemmelt Grün und gibt O’Sullivan damit die Chance, den Tisch an seiner statt abzuräumen. Zwar verstellt sich dieser gleich darauf selbst auf Braun, aber mit einem wunderbar abgezirkelten Stoß locht O’sullivan nicht nur diesen schwierigen Ball, sondern bringt Weiß auch ideal in Position, um mit Blau, Pink und Schwarz die letzten drei Bälle in die Taschen zu befördern und doch noch auf 10:6 zu stellen.

Nur drei Frames benötigt O’Sullivan somit in der dritten und letzten Session noch, um ins Viertelfinale einzuziehen. Shaun Murphy darf für sich verbuchen, nach der katastrophalen ersten Session immerhin noch im Spiel geblieben zu sein. Dem verpatzten letzten Frame wird er möglicherweise noch nachtrauern.

Wilson besiegt Bingham

Das erste Viertelfinalticket löst Kyren Wilson, der gegen Stuart Bingham, den Weltmeister von 2015, in einer hart umkämpften Partie mit 13:10 das bessere Ende für sich hat. Wilson trifft nun auf den Sieger des Matches Mark Allen gegen John Higgins, in dem noch zwei Sessions zu absolvieren sind. Allen führt nach Session eins mit 5:3 und darf dabei auf drei Breaks jenseits der Hundert-Punkte-Schwelle verweisen. Dass Higgins trotz dreier Century-Breaks seines Gegners noch einigermaßen dran bleibt, spricht für die große Klasse des vierfachen Weltmeisters aus Schottland.

In einem chinesischen Duell führt Ding Junhui nach zwei gespielten Sessions mit 9:7 gegen Liang Wenbo. Nachdem Ding mit einer dominanten Vorstellung in Session eins bereits mit 6:2 in Führung gelegen war, findet Liang im zweiten Teil der Partie ins Match zurück und darf sich noch Hoffnungen auf den Aufstieg ins Viertelfinale machen. (Anatol Vitouch, 22.4.2017)