Canberra/Wien – Der Fund, den Forscher vor mittlerweile 14 Jahren auf der indonesischen Insel Flores machten, kam völlig überraschend und war eine Sensation. Und er führte zu einer der erbitterteren Kontroversen in der Anthropologie, die an hart geführten Streitereien reich ist.

Die Knochen, die 2004 der Öffentlichkeit als Homo floresiensis präsentiert wurden, stammten von zwergwüchsigen Wesen, die zum einen primitive Züge wie ein sehr kleines Gehirn aufwiesen. Zum anderen aber datierte man die Funde, die man sofort "Hobbits" taufte, auf ein Alter von rund 18.000 Jahren.

So soll unser kleinwüchsiger Verwandter zu Lebzeiten ausgesehen haben.
Illustration: Katrina Kenny, SA Museum

Hat es sich dabei um eine krankhaft veränderte Population von Homo sapiens gehandelt? Oder haben bis vor relativ kurzer Zeit Vertreter von Homo erectus, der vor 1,9 Millionen Jahren in Afrika auftauchte und sich als Java- und Peking-Mensch auch in Asien niederließ, auf einer indonesischen Insel überlebt?

Eine letzte größere Wende erlebte der Streit im Vorjahr, als die Hobbit-Funde neu datiert und auf 54.000 Jahre geschätzt wurden. Das machte die Hypothese, dass es sich bei Homo floresiensis um moderne Menschen mit Mikrozephalie handelte, noch unwahrscheinlicher. Doch auch die Homo-erectus-Annahme hat so ihre Schwierigkeiten.

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Seit 2010 arbeitet ein Forscherteam um die australische Anthropologin Debbie Argue (Australian National University in Canberra) deshalb an der Klärung des Rätsels um die mysteriöse Vormenschenart. Im Journal for Human Evolution präsentieren die Forscher nun die umfassendste Knochenbestimmung. Anhand von insgesamt 133 verschiedenen Merkmalen des gesamten Skeletts nahmen sie eine Neuverortung der Hobbits in der Entwicklungsgeschichte vor.

Diese Vergleiche ergaben, dass Homo floresiensis mit fast 100-prozentiger Sicherheit kein missgebildeter Homo sapiens und zu 99 Prozent kein Homo erectus war. Die größten Übereinstimmungen fanden Argue und Kollegen mit Vertretern von Homo habilis, die gleichzeitig mit Homo erectus in Afrika lebten, aber weniger weit entwickelt waren.

Rekonstruierter Schädel eines Homo floresiensis. Der bisher umfassendste Vergleich ergab, dass die Hobbits mit dem primitiven Homo habilis am engsten verwandt waren.
Foto: Stuart Hay, ANU

"Die Analysen zeigen, dass Homo floresiensis wahrscheinlich eine Schwesterart von Homo habilis war", sagt Argue: Entweder sei Homo floresiensis schon in Afrika entstanden und ausgewandert – oder es gab einen gemeinsamen Vorfahren, der auswanderte und sich irgendwo auf dem Weg zum Hobbit entwickelte. (tasch, 22.4.2017)