Das Ergebnis der Abstimmung unter in Österreich lebenden Türken über quasidiktatorische Vollmachten für Erdogan hat auch österreichische Politiker aufgewühlt.

Was tut Österreich, um diese äußerst bedenklichen Verhältnisse innerhalb der türkischen Community zu verbessern? Der ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka ist, wie immer, für restriktive Maßnahmen. Die vermuteten Doppelstaatsbürger unter den Türken – auf 117.000 türkische Staatsbürger in Österreich kommen 108.000 Wahlberechtigte, was mit der Demografie schlecht zusammengeht – sollen, so gut es geht, ausgeforscht und mit 5000 Euro Strafe belegt werden (plus Verlust der österreichischen Staatsangehörigkeit).

Das entspricht dem "Verbieten und Strafen"-Reflex der österreichischen Konservativen aller Parteien. Gibt es aber Überlegungen, auch positiv etwas zu einer Haltungsänderung der hier wohnenden rund 280.000 türkischstämmigen Personen beizutragen?

Der Geschäftsführer des zum Außenministerium ressortierenden Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF), Franz Wolf, schreibt in einer brandneuen Broschüre seines Hauses ("Menschen türkischer Herkunft in Österreich", www.integrationsfonds.at): "Was die Identifikation mit Österreich betrifft, unterscheidet sich die Einstellung der Bevölkerung mit türkischem Migrationshintergrund von anderen Zuwanderergruppen. So fühlen sich einer aktuellen Erhebung zufolge etwas mehr als die Hälfte aller Befragten mit türkischem Migrationshintergrund eher der Türkei als Österreich zugehörig." Auch jene, die schon hier geboren und aufgewachsen sind.

Kenan Güngör, der Leiter des Beratungsbüros think.difference, in der erwähnten Broschüre: "Ein zentraler Faktor ist die soziale Vererbung des Bildungskapitals. Für bildungsschwache Familien und somit für viele türkischstämmige Familien ist es deutlich schwieriger, den Bildungsaufstieg zu schaffen." Ein weiteres Problem sei die "Heiratsmigration": "Männer und Frauen finden ihren Partner zum Teil in den Herkunftsländern. Über die Heiratsmigration kommt es zu einer permanenten Reproduktion der ersten Generation, obwohl wir eigentlich in der dritten oder vierten Generation sind. Durch eine Person im Haushalt, die die deutsche Sprache nicht spricht, wird die Familiensprache, wie auch der Medienkonsum etc., dann automatisch nur Türkisch, und das Deutsche fällt weg, gerade bei den Kindern."

Kein Wunder, dass auch die dritte und vierte Generation nicht aufsteigt (im Unterschied zu asiatischen und osteuropäischen Migranten). Ebenso wenig wie die Verbots-und Strafenkultur der Rechten reicht da die "Arme Opfer"-Kultur der Linken und Grünen: Die Türken stimmen für Erdogan, weil sie sich so "abgelehnt" fühlen.

Das mag eine Rolle spielen, aber Grüne wie der 63-jährige Peter Pilz, der bei gewissen Grünen zur Kategorie "alter Mann" gehört, und der hinausgemobbte grüne Bundesrat Efgani Dönmez sehen da genauer hin – und entdecken einen dichten Bespitzelungs- und Einschüchterungsapparat, der die Erdogan-Gegner von den Abstimmungslokalen fernhielt. Das darf sich bei einem eventuellen Referendum über die Todesstrafe nicht wiederholen. Das wäre einmal der Beginn.

Was sonst tun? Ein realistischer Blick ist das Erste. Über denkbare positive Maßnahmen mehr in einer weiteren Kolumne. (Hans Rauscher, 21.4.2017)