Das Durchschnittsalter der Mitglieder in der SPÖ Wien liegt bei 61,6 Jahren.

Foto: Robert Newald

Wien – Die Sozialdemokratie sei eine "große Familie", sagt Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl. Ihr Problem ist, dass sie immer kleiner wird: Zu Blütezeiten habe die Wiener SPÖ um die 300.000 Mitglieder gezählt. Aktuell sind es rund 45.000. Sie altern – im Durchschnitt sind die Wiener Mitglieder 61,6 Jahre alt – und sterben. So sinken die Mitgliederzahlen, obwohl es mehr Neueintritte in die Partei gibt als Austritte. 2015 etwa traten 4.778 Menschen der SPÖ Wien bei, etwas weniger traten aus: 4.765. 2016 kamen überhaupt nur 1.610 Personen neu dazu, noch weniger – 1.586 – nahmen den Hut. Doch 761 Genossen verstarben, was zu einem Minus von 737 Mitgliedern in der Bilanz führte.

Durchschnittlich bleiben die Leute 33,6 Jahre bei der Partei. Die längste Mitgliedschaft dauerte 91 Jahre. Warum sich Genossen entscheiden, zu gehen, wird nicht regelmäßig evaluiert, doch sehe man, dass es oft vom politischen Geschehen abhänge, heißt es zum STANDARD. So gab es laut SPÖ eine spürbare Austrittswelle nach dem Beschluss der Obergrenze für Asylanträge. Mit dem Antritt von Christian Kern als Bundeskanzler kamen auch neue SPÖler.

Integration, EU und "Welcome-Sektion"

Man habe sich nicht zum Ziel gesetzt, eine bestimmte Mitgliederzahl zu lukrieren. Es gehe darum, dass Mitglieder aktiv werden, sagte Landesparteisekretärin Sybille Straubinger am Donnerstag. Auch Gastmitglieder, also die derzeit 100 Personen, die nur temporär dabei sind, sollen vom Bleiben überzeugt werden.

Daher startet die Wiener SPÖ im Mai drei Initiativen: "Vielfalt" will sich mit Integration beschäftigen, "Europa" mit EU-Politik: Es soll Treffen, Diskussionen und Workshops geben. Die ebenfalls neu eingerichtete "Welcome-Sektion" soll der Aktivierung von Mitgliedern und Gästen gewidmet sein: SPÖ-Anfänger sollen die Partei dort "im Schnelldurchlauf abchecken können". Häupl meint, die bisherigen Bemühungen, die Partei zu öffnen – etwa mit Hausbesuchen und Grätzelbeauftragten – würden fruchten. Messbar sei das aber nicht. Weiterhin soll es die "traditionelle Sozialisierung" über Jugendorganisationen geben.

Bis zum Sommer wolle man zudem intern diskutieren, wie die derzeit "ineffiziente" Parteistruktur zu verschlanken sei. Möglich wäre etwa, dass Sektionen – die kleinsten 364 Einheiten auf Grätzelebene – abgeschafft oder zusammengelegt werden. Häupl wolle die "Diskussionsfreudigen, Kritischen und Offenen" unterstützen.

Unterschiedlich engagiert

Das Engagement der Sektionen variiert stark: Bei einigen stehen vor allem Wirtshaustreffen auf dem Programm, in anderen häkeln Frauen Topflappen mit dem Drei-Pfeile-Logo. Andere organisieren politische Veranstaltungen – oder überraschen: Wie 2011, als beim Landesparteitag der Antrag der Sektion 8 zum Verbot des kleinen Glücksspiels angenommen wurde.

Auch heuer wird beim Landesparteitag am 29. April über insgesamt 150 Anträge abgestimmt. Das von der Sektion 8 gewünschte Verbot von Entnahmeboxen für Gratiszeitungen sowie mehrere Anträge gegen die Ausgliederung des Krankenanstaltenverbundes könnten für hitzige Diskussionen sorgen. Die Parteistruktur wird nur andiskutiert. Die SPÖ Ottakring fordert etwa in einem Antrag die Prüfung eines Direktwahlsystems der Parteivorsitzenden. (Oona Kroisleitner, Christa Minkin, 20.4.2017)