98 Prozent der Phänomene lassen sich rational erklären, räumen die Geisterjäger ein.

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Der Regen peitscht gegen das Fenster, der Wind pfeift ums Haus. Wilhelm Gabler ist in seinem Element. Gabler – schwarze Kleidung, Glatze, tätowierte Unterarme – legt seine Arbeitsgeräte fein säuberlich auf einem der Tische im seit Jahren leer stehenden Haus irgendwo im 12. Bezirk auf: Digitalkameras, Nachtsichtgeräte, ein Gerät, mittels dessen elektromagnetische Felder gemessen werden können, ein Aufnahmegerät. Rohr- und Kabeldetektoren, Temperaturmessgeräte – Technik, mit der er Kontakt zu Geistern aufnehmen will.

Gabler ist Chef der Vienna Ghosthunters, einer Gruppe von Hobbygeisterjägern, die dann zu Einsätzen gerufen werden, wenn Bewohner in ihren vier Wänden unerklärliche Dinge hören oder sehen – zuschlagende Türen zum Beispiel und mysteriöse Schrittgeräusche. Die beiden selbsternannten Geisterjäger, die heute das Haus im 12. Bezirk auf paranormale Phänomene untersuchen wollen, lassen ihre Blicke über die übereinandergestapelten Tische, die vergilbten Poster an der Wand, den von der Decke bröckelnden Putz und den verstaubten Fußboden gleiten und stellen fest: "Das wird wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen."

Denn für Laien erfüllt das Haus zwar alle Kriterien eines Spukhauses – es steht seit Jahren leer und verfällt langsam. Irgendwo raschelt und knarrt es immer. Aber Geistergeschichten, weiß der Eigentümer, der weder seinen Namen noch die Adresse des Hauses in der Zeitung lesen will, keine zu berichten. Das macht die Suche schwierig.

Keine Antwort

Die beiden Geisterjäger gehen durch die Räume und schießen wie wild Fotos aus der Hüfte. Auf der Auswertung im Nachhinein würde man dann, so ihre Hoffnung, vielleicht Umrisse erkennen. Währenddessen misst Gabler Magnetfelder und die Raumtemperatur. Sie liegt konstant bei 6,1 Grad.

Unten, im stockfinsteren Keller, kommt auch das mitgebrachte Diktiergerät zum Einsatz: "Hallo, ist jemand hier?", fragt Gabler. Antwort kommt keine, irgendwo im Haus knackst es. Auf dem zurückgespulten Tonband lassen sich später keine unerklärlichen Geräusche ausmachen.

Geister im Gemeindebau

Hochsaison haben Geisterjäger im Herbst und Winter, erzählt Gabler. Die Klientel seien hauptsächlich Frauen. Gabler glaubt, dass diese sensibler sind. Auffallend viele Anfragen kämen von Mietern von Gemeindewohnungen – eine Tatsache, die sich die Vienna Ghosthunters auch nicht so recht erklären können. Eines stellt Gabler klar: 98 Prozent der Phänomene, wegen der er gerufen wird, lassen sich ganz natürlich erklären – etwa durch wandernde Risse in der Mauer, Schimmel und Feuchtigkeit. Oftmals stehe auch die Einsamkeit mancher Bewohner hinter scheinbar Unerklärlichem. Nur zwei Prozent der Phänomene würden sich nicht erklären lassen, sagt Gabler – "noch nicht", wie er betont.

Bernd Harder ist skeptisch, denn das ist sein Beruf: Er ist Mitglied der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Esoterik, Parawissenschaften und Verschwörungstheorien kritisch zu hinterfragen. Harder bezeichnet das, was Geisterjäger machen als "sinnfreien Zeitvertreib", dem keine Theorie zugrunde liege: "Natürlich zeigen die technischen Geräte irgendetwas an. Die Frage ist aber: Wie interpretiere ich das? Bei den meisten Geisterjägern ist es automatisch ein Geist."

Rationale Erklärungen

Harders Erklärung für das scheinbar Unerklärbare: "Wir neigen dazu, in allem Muster und Dinge zu sehen." Das, was die Geisterjäger als Spuk bezeichnen, ist für Harder aber stets rational erklärbar. Durch Cold Spots zum Beispiel, Lichtschwankungen und Infraschall: "Dass Leute an bestimmten Orten etwas spüren, bezweifeln wir nicht. Uns geht es aber darum, wie das gedeutet wird." Für Harder sind es keine Geister, sondern "unbewusste Reaktion auf Umwelteinflüsse".

Geisterjäger sind David Breitwieser, Leiter der Abteilung für Wohnimmobilien bei EHL Immobilien, zwar noch keine begegnet. Die Vorgeschichte einer Immobilie interessiere Wohnungssuchende aber immer. Problematisch werde es dann, wenn in einer Wohnung tatsächlich jemand gestorben ist – eine Tatsache, die ein Immobilienmakler den Interessenten nie verschweigen darf, wie Breitwieser betont.

"Immer wieder" würden Interessenten auch einen Wünschelrutengeher zu einer Besichtigung mitbringen oder gleich selbst zur Wünschelrute greifen – und zwar sowohl bei der 600-Euro-Mietwohnung als auch bei der 700.000-Euro-Eigentumswohnung. Mitunter werde eine ansonsten passende Wohnung auch abgelehnt, wenn eine Wasserader im Schlafzimmer gefunden wird. "Paradox wird es aber, wenn gleich zwei Interessenten mit einer Wünschelrute unterwegs sind – und der eine findet eine Wasserader, der andere nicht", erzählt Breitwieser.

Bergkristalle an Schlüsselpunkten

"Kaufinteressenten haben sehr wohl Fragen zur Energetik eines Gebäudes", bestätigt auch Elfie Zipper, Wohnimmobilienmaklerin bei Otto Immobilien. Erst vor kurzem habe eine Wohnungsinteressentin eine Feng-Shui-Beraterin zurate gezogen, die dieser am Ende vom Kauf der Wohnung abgeraten hat. Wer den Prinzipien von Feng-Shui Glauben schenkt, der achtet beispielsweise darauf, dass im Eingangsbereich von Haus oder Wohnung keine spitzen Kanten zu finden sind.

"Geistig sollte man sich vorstellen, dass man Walzer durch das Haus tanzen kann, ohne sich anzustoßen", erklärt Manfred Kovacs, Geschäftsführer von Vital Projekt. Er berät beispielsweise Bauträger bei der Planung von Wohnprojekten und löscht für diese, falls die Energie nicht passt, die "Festplatte" eines Ortes, wie er erzählt. Dafür platziert er zum Beispiel Bergkristalle an Schlüsselpunkten des Baufelds. Kovacs ist überzeugt: Dadurch verlaufe nicht nur der Bauprozess besser, am Ende würden sich auch die Wohnungen schneller verkaufen. "Das ist ein gutes Investment." Ausgerüstet ist er nicht nur mit einer Wünschelrute, sondern auch mit technischen Geräten, mit denen er Strahlungseinwirkungen vor Ort vermessen will.

Warum das Geschäft mit dem, was in vielen Fällen nicht wirklich messbar ist, boomt? "Wir leben in einer Zeit der philosophischen Beliebigkeit", sagt Physiker, Wissenschaftserklärer und GWUP-Mitglied Florian Aigner. "Früher hatte man Gott, heute muss man Antworten auf die großen Fragen selber finden." Bei schwierigen Entscheidungen wie der Wohnungssuche würden manche sich daher lieber auf den Rat von jemand anderem verlassen.

Spukfreies Haus

Manche der Regeln von Feng-Shui seien durchaus sinnvoll, räumt Aigner ein: "Aber vieles sagt einem ja ohnehin der Hausverstand, etwa dass man nicht mit dem Rücken zur Tür sitzen soll." Die Arbeit eines Feng-Shui-Beraters würde zudem "jeder vernünftige Architekt bzw. Innenarchitekt berücksichtigen". Beispielsweise, indem man sich mit der Geschichte eines Ortes auseinandersetzt, bevor dort gebaut wird. "Grantig" werde er aber dann, wenn von Beratern Angst bei den Ratsuchenden erzeugt wird.

Angst, die am Ende manchmal unbegründet ist. Am Tag nach der Geisterjagd läutet das Telefon: Gabler gibt nach Analyse des von ihm gesammelten Bildmaterials Entwarnung. Das leer stehende Haus im 12. Bezirk ist nun offiziell spukfrei. (Franziska Zoidl, 30.4.2017)