Bild nicht mehr verfügbar.

Unterstützer der Nein-Kampagne (Hayir) demonstrierten in der Nacht auf Montag unter anderem in Istanbul.

Foto: AP Photo/Emrah Gurel

Man ist versucht zu sagen: Die Türkische Republik war eine Parenthese. Knapp 94 Jahre nach ihrer Gründung wird sie entsorgt. Das große Land zwischen Europa und Nahost kehrt zurück zur Ein-Mann-Herrschaft, komplett mit Palast und Hofschranzen wie zur Zeit der Osmanen. Für die EU und – in geringeren Maß – für die USA ist das eine Zäsur. Sie verlieren einen wichtigen demokratischen Partner in der Region, auch wenn die Demokratie in den letzten Jahren durch den unbedingten Machtwillen Tayyip Erdoğans ohnehin schon sehr ausgehöhlt worden war.

Tayyip Erdoğan, der Staatspräsident und langjährige Regierungschef, hat mit dem anscheinend knappen Sieg beim Volksentscheid am Sonntag seinen Willen erreicht. Aber er hat sich, ähnlich wie 2014 bei der ersten Wahl zum Präsidenten, mehr erwartet. Der 63-Jährige ist wohl mächtiger in seinem Land, als es Kemal Atatürk war. Er wird länger regieren, als die 15 Jahre, die der Republikgründer an der Spitze der Türkei stand. Vielleicht werden es am Ende drei Jahrzehnte sein, wenn Erdoğans Anhänger nur weiter zu ihm halten.

Kein klares Votum

Denn gewählt und gewollt ist diese Autokratie von der Hälfte der Türken. Sicher mit vielen Manipulationen bei der Wahl, wie auch am Sonntag wieder die zahlreichen Berichte über Unregelmäßigkeiten zeigten. Zweifellos auch auf unfaire Weise, mit der Behinderung der größten Oppositionspartei CHP und gar der Inhaftierung der Führung und tausender Funktionäre der kleinen prokurdischen Oppositionskraft HDP. Auf dem Papier sind rund 51 Prozent solchermaßen gewonnene Ja-Stimmen eine Mehrheit. Politisch aber werden sie ein Problem sein: Ein klares Votum für einen so weitreichenden Regimewechsel lässt sich daraus nur schwer ableiten.

Deshalb sollte man sich nicht täuschen: Der wenig überzeugende Sieg bedeutet auch wenig Klarheit für die Zukunft der Türkei. Ob Erdoğans neues Präsidialregime inneren Frieden und dauernden wirtschaftlichen Aufschwung garantieren kann, so wie der Präsident es verspricht, ist höchst fraglich. Die Republik und ihre Demokratie können sich am Ende stärker erweisen als der Wille eines einzelnen Mannes. (Markus Bernath, 16.4.2017)