In Shanghai debütieren völlig neue Automarken, wie Lynk & Co, NIO (im Bild) oder die in Hong Kong ansässige Hybrid Kinetic Group. Der Nio EP9 feierte bereits im November vergangenen Jahres seine Weltpremiere. Das chinesisch-amerikanische Start-up Next EV enthüllte da den elektrisch angetriebenen Supersportwagen mit 1360 PS.

Foto: APA/AFP/NIO/HANDOUT

München – Während sich die Frankfurter Automobil-Ausstellung sechs Monate vor Beginn schon zahlreiche Absagen von Autobauern einhandelte, darunter Alfa Romeo, Fiat, Jeep, Peugeot, DS, Nissan, Infiniti, Mitsubishi und Volvo, und auf der Frühjahrsmesse in Genf Elektroautos nahezu unsichtbar waren, demonstriert Shanghai 2017 die Marktmacht der Chinesen. Und die Zukunftsthemen der Branche. Im Fokus der wichtigsten Automesse der Welt steht der Aufbruch in die Zeit der Elektroautos und Vernetzung, so Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen in einer Analyse.

Im Autoparadies China scheint auch wieder häufiger die Sonne. Im größten Pkw-Markt der Welt wurden im vergangenen Jahr 28 Millionen Fahrzeuge verkauft – so viele wie seit drei Jahren nicht mehr. Staatliche Kaufanreize schoben den Absatz von Kleinwagen, Elektro- und Hybridautos an. China ist mittlerweile der größte Markt für Elektroautos. Letztes Jahr wurden weltweit 873.000 Elektroautos und Plug-In Hybride weltweit, in China wurden 507.000 verkauft. Damit hatten die sogenannten NEV, also reine Elektroautos und Plug-In Hybride, im Jahr 2017 in China einen Marktanteil von 2,1 Prozent erreicht.

Die Zukunft hat mit China zu tun

Viele Manager dürften deshalb hoffnungsfroh zur Automesse in Shanghai reisen, die am Dienstag für rund zwei Wochen ihre Pforten öffnet. "Shanghai ist die Messe der Zukunft, und Zukunft hat viel mit China zu tun", so Dudenhöffer.

In Shanghai debütieren völlig neue Automarken, wie Lynk & Co, NIO oder die in Hong Kong ansässige Hybrid Kinetic Group. Die Geely Tochter Lynk & Co startet in diesem Jahr mit dem Verkauf in China und will 2018 nach Europa kommen. Lynk & Co ist keine klassische Automarke, sondern will mit neuen Vertriebssystem, mit echtem Online-Vertrieb, den Autoverkauf ins Internetzeitalter bringen. So wie es bereits Tesla gemacht hat. "Für den altehrwürdigen Autohandel wäre das eine Revolution", so der Autoexperte.

Dudenhöffer verweist auf die Marktmacht der Volksrepublik: "Ohne China wäre die Branche fast ein Drittel kleiner." Nach einer Schwächephase macht der Markt den Herstellern jetzt insgesamt wieder mehr Freude: In den ersten drei Monaten legte der Absatz laut Herstellerverband CAAM um sieben Prozent zu. Für das Gesamtjahr 2017 erwartet die Branche ein Plus von fünf Prozent – und das sei eher konservativ, schätzt Christian Ludwig vom Bankhaus Lampe. "Es könnte auch in Richtung acht bis neun Prozent gehen."

Deutsche Autobauer profitieren

Den deutschen Autobauern, die in China traditionell im Oberklasse-Segment stark sind, kann das nur recht sein. Für Konzerne wie Volkswagen, Daimler oder BMW ist die Volksrepublik längst der mit Abstand größte Einzelmarkt. Daimler überraschte in dieser Woche bereits mit einem unerwartet deutlichen Gewinnsprung im Auftaktquartal. "Der Erfolg basiert insbesondere auf China", stellt Analyst Frank Schwope von der NordLB fest. Mehr als ein Viertel der Mercedes-Benz-Pkws hätten die Stuttgarter im Reich der Mitte verkauft. In Shanghai zeigen die Schwaben nun die frisch überarbeitete S-Klasse, die mit Luxusausstattung und allerlei Assistenzsystemen locken soll. Volkswagen will gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Auf der Messe feiert eine elektrisch angetriebene Mischung aus Coupé und Geländewagen Weltpremiere.

Das Thema Elektromobilität und die Frage, wann massentaugliche Modelle vorgestellt werden, sei für alle deutschen Hersteller wichtig, sagt Ludwig vom Bankhaus Lampe. Die Führung in Peking will die Smogprobleme in den Großstädten in den Griff bekommen und China zum Leitmarkt für umweltfreundlicheres Fahren machen. Deshalb greift sie tief in die Tasche und subventioniert Elektroautos, was vor allem heimischen Billigmodellen zugutekommt: Chery, BAIC oder BYD.

Quote für Stromer

Die staatlichen Hilfen für die Stromer sollen bis 2020 schrittweise auslaufen. Allerdings will die Regierung mithilfe einer Quote, die ab 2018 gelten und danach ansteigen soll, die Autobauer dazu zwingen, einen immer größer werdenden Anteil an Elektromodellen zu verkaufen. Noch zu Jahresbeginn standen ehrgeizige Ziele zur Disposition, die von den deutschen Herstellern nicht hätten erreicht werden können. Nach Gesprächen auf höchster politischer Ebene entschärfte China die Pläne schließlich. Grüne Mobilität spielt aber weiter eine wichtige Rolle. Autoexperte Dudenhöffer sagt: "Mehr denn je setzt China die Regeln in der Automobilindustrie." Die Chinesen seien soweit, dass ihre Marken in den westlichen Ländern Käufer finden. "Changan, Great Wall und Geely sind die drei größten chinesischen Automarken, die kontinuierlich ihre Marktposition ausbauen und in nicht allzu ferner Zukunft auch in Europa mit ihren Produkten aufwarten." (APA/Reuters/red, 16.4.2017)