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So schauen zu viele Stadtgebiete aus....

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...und so sollten sie aussehen.

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Das traurige Spektakel in der Wiener SPÖ vom Samstag kann es leicht vergessen machen, aber Wien gilt nicht nur als lebenswerteste Großstadt der Welt, sondern auch als die smarteste – im Sinne innovativer Lösungen für Umwelt, Verkehr oder Gesundheit. Das sagt zumindest das Beratungsunternehmen Roland Berger, das vor kurzem einen "smart city index" erstellt hat – mit Wien an der Spitze vor Chicago und Singapur. Die Berater loben in Wien ganz besonders die breite, grundsätzlich angelegte Smart-City-Strategie.

Aber wie verdient ist diese Auszeichnung?

Wien ist tatsächlich in vieler Hinsicht ein internationales Vorbild. Aber in einem Kernbereich der Stadtentwicklung könnte und sollte es viel innovativer und radikaler sein: beim Autoverkehr und vor allem bei der Parkplätzen. Trotz sehr gut ausgebauter öffentlicher Verkehrsmittel haben Autos immer noch Vorrang – und vor allem im ruhenden Verkehr. Daran hat auch die Regierungsbeteiligung der Grünen wenig verändert.

Die Lehren des "Economist" für Wien

Der "Economist" hat vor kurzem in einer Analyse und Leitartikel gezeigt, welchen Schaden eine falsche Stellplatzpolitik in einer Stadt anrichten kann – und dabei wichtige Lehren für Wien vermittelt.

Da Autos 95 Prozent der Zeit stehen und nur fünf Prozent fahren, haben geparkte Autos viel mehr Einfluss auf das Leben in einer Stadt als die fahrenden. Und der besteht vor allem darin, dass sie andere, wertvollere Aktivitäten verdrängen und Wohnkosten in die Höhe schrauben. weil sie wertvollen Boden verbrauchen. Und je weniger Parkplätze, desto weniger Autoverkehr, weil dann die Menschen sich für andere Transportmittel entscheiden.

Wie von einer marktwirtschaftlichen orientierten Zeitschrift wie dem "Economist" zu erwarten hat er eine Empfehlung, wie man Autos aus der Stadt auf vernünftige Weise verbannen kann – indem man das Parken verteuert.

Parken ist immer noch zu billig

Nun hat Wien zwar in den meisten Bezirken durch die Parkraumbewirtschaftung das Parken für Nichtbewohner kostenpflichtig gemacht, aber der Preis für eine Stunde Parken ist mit 2,10 Euro trotz der jüngsten Erhöhung immer noch recht niedrig – deutlich geringer als die gesamten gesellschaftlichen Kosten, die ein geparktes Auto verursacht. Und gerade die Bewohner in Bezirken mit ziemlich hohen Bildungsgraden wie Döbling und Hietzing verweigern aus den dümmsten Motiven die 'Einfühung der Kurzparkzonen.

Aber der "Economist" sieht zwei weitere Fehler in der Parkpolitik vieler Städte: Die Verpflichtung zum Bau von Parkgaragen bei neuen Wohnbauten und die Bereitstellung günstiger Parkplätze für die Anrainer. Beides ist in Wien leider der Fall. Als Folge ist die Stadt zu autofreundlich und zu wenig füßgänger- und fahrradfreundlich.

Unsinnige Stellplatzverpflichtung

Die Stellplatzverpflichtung ist Wohnbauträgern seit Jahren ein Dorn im Auge, weil sie die Baukosten in die Höhe treibt. Ihr Abschaffung würde Wohnen mit einem Schlag günstiger machen. Das Argument, dann würden zu viele auf der Straße parken, lässt sich durch restriktive Parkverbote entkräften: Menschen würden dann auf Autos verzichten, und das ersparte Geld könnte man in den öffentlichen Verkehr und in Radwege stecken.

Genauso falsch aber sind die niedrigen Kosten für das Parkpickerl – derzeit zwischen 115 und 160 Euro im Jahr (je nach Bezirk und Zahlweise) – also rund 32 Cent am Tag. Das ist lächerlich wenig für das Recht, öffentlichen Grund in bester Lage für die Lagerung seines eigenen Privatfahrzeugs zu verwenden und stellt eine Umverteilung zu Besserverdienern da. Je teurer der Wohnbezirk, desto wertvoller ist dieses Privileg.

Anrainer sollten genauso viel zahlen wie Nicht-Anrainer und damit einen Anreiz erhalten, auf Autobesitz zu verzichten. Wer das nicht will, soll dafür bezahlen.

Tokio und Singapur sind anders

Nur wenige Städte der Welt – Tokio und Singapur sind hier die Ausnahmen – sind diesen Weg gegangen, und der erwartbare Aufschrei von Bewohnern lässt eine solche Reform höchst unrealistisch erscheinen.

Aber wenn Wien wirklich seine Lebensqualität verbessern, das Wohnen günstiger machen und mehr Geld für zukunftsorientierte Investitionen haben will, dann sollte es in diese Richtung gehen: Das Ende der anachronistischen Stellplatzverpflichtung, höhere Kosten für Parkpickerl und eine sukzessive Reduktion der verfügbaren Parkplätze in allen dicht verbauten Stadtgebieten zugunsten von Grünflächen, Gehsteigen und Radwegen.

Dann wäre die Stadt in einigen Jahren wirklich smart. (Eric Frey, 30.4.2017)