Wien – Meinungsforscher zählten in der jüngsten Vergangenheit meist zu den Verlierern an Wahlabenden. Umfragen im Vorfeld von Wahlgängen hielten der Realität des Wahlergebnisses nicht immer Stand. Neue Richtlinien und mehr Transparenz sollen nun die Qualität der Wahlforschung heben. In einjähriger Arbeit hat der Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute Österreichs (VdMI) neue Regeln für Wahlumfragen erarbeitet.

Die Institute wollen damit einen Mindeststandard für Wahlumfragen etablieren, wie Spectra-Geschäftsführer und Vorstand des Verbands, Peter Bruckmüller, sowie Paul Christian Eiselsberg, Prokurist beim Marktforschungsunternehmen Imas und Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe, erklärten. Wesentlichste Vorgabe: Wahlumfragen sollen künftig eine Mindeststichprobengröße von 800 Befragten haben, und es soll sich um keine reinen Onlinebefragungen handeln. "Das gilt ab sofort", sagte Bruckmüller.

Mehr Transparenz

Daneben werden künftig bei der Veröffentlichung von Umfragen eine ganze Reihe von Parametern mitgeliefert, die für mehr Transparenz sorgen sollen: der Name des Auftraggebers der Studie, der Name des durchführenden Instituts sowie anderer an der Erhebung beteiligter Institute, die genaue Beschreibung der Zielgruppe, die Anzahl der Deklarierten, also die Anzahl der Personen, die in der Sonntagsfrage eine Partei genannt haben, die Schwankungsbreite auf Basis der Deklarierten in der Rohstichprobe, Stichprobengrundlagen und -methoden, Untersuchungszeitraum, Befragungsmethode, der Wortlaut der Fragen sowie Details zum Gewichtungsverfahren.

Möglichst viele dieser Informationen sollen von den Medien, die solche Wahlumfragen in Auftrag geben, veröffentlicht werden. Darüber hinaus wollen die beauftragten Meinungsforschungsinstitute die Daten auch selbst innerhalb von 48 Stunden nach der Veröffentlichung in einem Medium auf der eigenen Homepage publizieren. Werden alle Anforderungen erfüllt und alle Parameter veröffentlicht, dann darf die Umfrage den Zusatz "diese Studie wurde nach den Richtlinien des Verbands der Markt- und Meinungsforschungsinstitute durchgeführt" verwenden.

Keine exakte Prognose

"Wir haben Grundqualitätskriterien definiert und wollen einen Schritt in Richtung mehr Transparenz", so Brückmüller. Die Qualität von Wahlforschungsumfragen soll dadurch deutlich angehoben werden. Zugleich betonen die Meinungsforscher, dass es sich bei Umfragen auch weiterhin um eine Ist-Messung im Zeitraum der Befragung und um kein exaktes Wahlprognoseinstrument für den Tag X handelt. Der Wählermarkt sei in den vergangenen Jahren extrem beweglich geworden, um die 15 Prozent der Bevölkerung würden sich erst in den letzten zwei bis drei Tagen konkret entscheiden. "Würden wir jeden Sonntag den Nationalrat wählen, hätten wir jede Woche ein anderes Ergebnis", gibt Eiselsberg zu bedenken.

An der Initiative beteiligen sich neben Imas und Spectra zum Beispiel auch die Institute GfK, Ifes, OGM, Peter Hajek und Gallup. Beim Market-Institut ist die Teilnahme an den neuen Kriterien noch offen. Institutsvorstand David Pfarrhofer macht darauf aufmerksam, dass nicht nur die Stichprobengröße für die Qualität von Umfragen ausschlaggebend ist. "Natürlich wird die Schwankungsbreite kleiner", sagt er. "Das heißt aber nicht unbedingt, dass das Ergebnis besser wird." Eine große Herausforderung seien nämlich vor allem Menschen, die sich nicht deklarieren wollen oder noch keine Wahlentscheidung getroffen hätten.

Unterstützt wird die Initiative von der Onlineplattform neuwal.com, die regelmäßig Umfragen sammelt und veröffentlicht. Neuwal wird künftig alle Sonntagsfrage-Ergebnisse einem VdMI-Richtlinien-Check unterziehen. Neuwal-Gründer Dieter Zirnig spricht von einem "wichtigen Schritt in Richtung mehr Transparenz". Es muss nicht sein, dass eine Wahlumfrage damit treffsicherer wird, aber man sieht, was die Umfrage kann und was nicht. Laut Zirnig treffen 80 Prozent der Wahlumfragen die tatsächlichen Wahlergebnisse, wenn man die Schwankungsbreiten der Umfragen berücksichtigt.

Höhere Kosten

Beim Verband der Markt- und Meinungsforschungsinstitute, dem rund 30 Institute angehören, die 90 Prozent des Marktes abdecken, will man nun vor allem die Medien in Richtung der neuen Richtlinien sensibilisieren. Derzeit gibt es immer wieder Umfragen mit 400er- oder 500er-Sample. Erhebungen mit 800 Befragten bedeuten Mehrkosten von 20 bis 30 Prozent je Umfrage.

Intensiv diskutiert wurde auch die Frage des Veröffentlichungszeitraums vor Wahlen. In Frankreich und einer Reihe von anderen Ländern dürfen etwa unmittelbar vor einer Wahl keine Umfragen mehr publiziert werden. In Zeiten von Social Media und Hintergrundgesprächen sei ein "Vakuum" in der Praxis aber ohnehin nicht möglich, meinten Bruckmüller und Eiselsberg. "Wir wollen den Instituten hier nichts vorschreiben, und es gibt auch kaum wissenschaftliche Hinweise darauf, dass Umfragen einen Einfluss auf das Wahlergebnis haben." (APA, 14.4.2017)