Bild nicht mehr verfügbar.

Viele Kindern wurden in Beslan zu Opfern.

Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin/File Photo

Die Schule wurde völlig zerstört.

Foto: AFP PHOTO / VIKTOR DRACHEV

Straßburg – Es ist kurz nach halb zehn Uhr am 1. September 2004, das neue Schuljahr in der Mittelschule Nr. 1 in Beslan, einem 35.000-Einwohner-Städtchen in der südrussischen Teilrepublik Nordossetien, hat gerade begonnen, als 1.127 Schüler und Lehrer Opfer einer der blutigsten Terroranschläge der russischen Geschichte werden. Bis heute beschäftigt der Angriff – und seine blutige Beendigung durch russische Spezialeinheiten – die Gerichte.

Drei Dutzend Angreifer, teilweise maskiert und unter anderem mit Sprengstoffwesten bewaffnet, dringen in die Schule ein und nehmen die Kinder, allesamt zwischen sieben und 18 Jahre alt, sowie ihre Lehrer und einige Eltern als Faustpfand, um tschetschenische Gesinnungsgenossen aus russischen Gefängnissen freizupressen, die russischen Truppen aus der umkämpften Kaukasusrepublik zum Abzug zu zwingen und Präsident Wladimir Putin zum Rücktritt zu bewegen. 331 Tote werden zwei Tage später gezählt, darunter 186 Schüler, 750 Menschen wurden verletzt, nur einer der fast drei Dutzend Geiselnehmer überlebt, er sitzt bis heute in einem sibirischen Gefängnis ein.

Panzerkanonen und Granatenwerfer

Mehr als zwölf Jahre danach hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Donnerstag die russische Regierung wegen des Sturms auf die gekaperte Schule verurteilt. Die Richter gaben damit den 409 Klägern recht, in deren Augen der Polizei- und Militäreinsatz für viele der Opfer verantwortlich war. Während nach russischer Lesart die Geiselnehmer bei der Erstürmung Bomben in dem zum Gefängnis umfunktionierten Turnsaal zur Explosion gebracht haben, berichten Augenzeugen von Explosionen außerhalb. Das russische Militär feuerte von Panzern aus auf das Gebäude, dessen Dach einstürzte und viele der Opfer unter sich begrub. Auch Granatenwerfer kamen zum Einsatz.

Zwar seien die Behörden unter enormem Druck gestanden und mussten eine schwierige Entscheidung fällen, wie der EGMR festhält. Und doch sei der Einsatz "unverhältnismäßig" gewesen, heißt es. Dieser sei zudem schlecht vorbereitet und mangelhaft ausgeführt worden. Die Behörden hätten sich unzureichend auf ein Szenario wie jenes in Beslan vorbereitet, obwohl im Vorfeld Warnungen vor Angriffen auf Schulen zu verzeichnen waren, sagten die Richter.

Moskau gibt sich empört

Russland soll laut dem Urteil knapp drei Millionen Euro Schmerzensgeld an die Kläger, darunter Hinterbliebene der getöteten Kinder, zahlen. Die Regierung in Moskau zeigte sich am Donnerstag empört über den Richterspruch. "Für ein Land, das angegriffen wurde, sind diese Formulierungen absolut inakzeptabel", ließ Sprecher Dmitri Peskow in Richtung Straßburg ausrichten. Russland will das Urteil anfechten. Mehrere Schlussfolgerungen des Gerichts seien haltlos und die Argumente wenig überzeugend, teilte das Justizministerium in Moskau am Donnerstag mit. (flon, 13.4.2017)