Rund um Maria Theresias 300. Geburtstag wird immer wieder gefragt, welchen Einfluss ihr Geschlecht auf ihre Regentschaft hatte. Ungewollt schwangere Frauen konnten sich jedoch keine Empathie erhoffen.

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Zum 300. Geburtstag von Maria Theresia gibt es viel Lob für die Regentin. In Ausstellungen oder Biografien wird ihr Wirken analysiert und gefeiert – auch von Feministinnen. So beschäftigt sich die französische Philosophin Élisabeth Badinter etwa in ihrem Buch "Maria Theresia. Die Macht der Frau" mit dem Frausein der Regentin und knüpft Verbindungslinien bis in die Gegenwart. Frau, Mutter und berufstätig – das macht sie mit Frauen im 21. Jahrhundert vergleichbar, sagt Badinter.

Die Auseinandersetzung mit Maria Theresias 300. Geburtstag am 13. Mai 2017 kommt also ohne den Faktor "Weiblichkeit" nur selten aus. Doch welche Konsequenzen hatte die 40-jährige Regentschaft einer Frau für die Lebensumstände für Frauen? Für ungewollt Schwangere konnten sie tödlich sein. Maria Theresia inszenierte sich zwar gern als fürsorgliche Mutter, etwa indem sie sich oft mit ihren – insgesamt 16 – Kindern malen ließ. Wer sich allerdings keine Kinderschar leisten konnte, durfte jedoch nicht auf Gnade hoffen.

Vereinheitlichung, und wenig modern

Die Filmemacherin und Journalistin Susanne Riegler beschäftigte sich bereits 2013 in ihrem Film "Der lange Arm der Kaiserin" mit Maria Theresias Einfluss auf den Umgang mit Abtreibung bis in die Gegenwart. Mit der 1768 entworfenen und in Kraft getretenen Constitutio Criminalis Theresiana wurde erstmals ein einheitliches Strafrecht für alle Habsburgerländer – mit Ausnahme Ungarns – installiert. Abtreibung wurde damit in den Österreichischen Erbländern mit dem Tod durch das Schwert bestraft. "Die einzige Modernisierung bestand in der Vereinheitlichung", sagt Susanne Riegler im Gespräch mit dem STANDARD. "Das Bild von Maria Theresia als liebende Mutter verschleiert ihre Brutalität im Umgang mit Frauen in Notsituationen. Sie hatte für jedes Kind eine Amme – sie wusste doch gar nicht, was es heißt, völlig mittellos, ohne Essen zu sein – und dann auch noch Kinder kriegen zu müssen", so Riegler.

Riegler sieht in Maria Theresias Religiosität einen wesentlichen Grund für ihre Strenge hinsichtlich Abtreibung. Maria Theresias Glaube zeugt von einer jahrhundertealten Verschränkung der Verweigerung reproduktiver Rechte für Frauen und Katholizismus. Diesen Einfluss bestätigt auch die Rechtswissenschafterin Maria Sagmeister: "Auch heute haben viele christliche Organisationen eine laute Stimme gegen ein Recht auf Abtreibung."

Viele BürgerInnen für einen starken Staat

Neben dem Katholizismus war die Forderung nach möglichst vielen BürgerInnen für einen starken Staat ein wichtiges Argument für die rigorose Politik Maria Theresias gegen Abtreibungen und auch gegen Verhütung. Ein solcher Hinweis auf die Bevölkerungspolitik sei jedoch nicht mehr salonfähig, erklärt Sagmeister, war er doch das zentrale Argument für die strengen Regelungen im Austrofaschismus und Nationalsozialismus.

Die Todesstrafe für Abtreibung galt allerdings schon vor der Theresiana. Neu an der Theresiana war hingegen, dass die Strafen nun für das gesamte Geltungsgebiet vereinheitlicht und genau geregelt wurden – und dass sie von einer Frau erlassen wurde. Die Constitutio Criminalis Carolina von 1532, die zuvor in den meisten österreichischen Ländern zumindest subsidiär gegolten hat, sah noch weitaus grausamere Tötungsmethoden vor, etwa Tod durch Ertränken. "Das war eine Strafe, die vorwiegend für Frauen vorgesehen war", führt Sagmeister aus. Die in der Theresiana für alle Länder festgelegte Todesstrafe durch das Schwert war angesichts von Strafen wie Tod durch Vierteilen noch verhältnismäßig milde.

Die Beiweislage war zudem schwierig: Wenn Frauen abgetrieben haben, noch bevor die Schwangerschaft sichtlich fortgeschritten war, konnte dies nur schwer bewiesen werden. Schon im spätmittelalterlichen kirchlichen Recht – weltliches und kirchliches Recht regelten unterschiedliche Rechtsgebiete – orientierte sich das herrschende Abtreibungsverbot am Fortschritt der Schwangerschaft. Damals tauchte die Unterscheidung zwischen beseelten und unbeseelten Föten auf.

"Auch noch in der Aufklärung wurde unterschieden, ob man einen lebendigen oder nicht lebendigen Fötus abtreibt", erklärt Sagmeister. Der männliche Fötus galt ab dem 40. Tag der Schwangerschaft als "lebendig", der weibliche Fötus erst ab dem 80. Tag nach der Empfängnis. "Das konnte allerdings durch den damaligen Stand der Medizin überhaupt nicht festgestellt werden", so Sagmeister. Die Abtreibung eines "unbeseelten Fötus" war aber auch nicht immer straffrei, im betreffenden Paragrafen in der Theresiana galt es als Milderungsgrund, wenn die Abtreibung in der ersten Hälfte zwischen Empfängnis und Geburt durchgeführt wurde.

Verpasste Strafrechtsreform

"Dass es im ersten vereinheitlichen Strafgesetzbuch einen eigenen Paragrafen für Abtreibung gab, war ein weitreichender Schritt", ist Sagmeister überzeugt. Bis heute ist Abtreibung grundsätzlich strafrechtlich verboten, seit 1974 ist ein Abbruch allerdings in den ersten drei Monaten straffrei, diese Regelung ist bekannt als Fristenlösung. Die Rechtswissenschafterin sieht darin eine "vergleichsweise liberale Lösung, die hart erkämpft wurde.

Es ist eine noch immer aktuelle feministische Forderung, dass der Schwangerschaftsabbruch, solange er nicht gegen den Willen der Schwangeren vorgenommen wird, überhaupt nicht im Strafgesetzbuch geregelt sein muss." Die Strafrechtsreform 2015 hätte dazu eine gute Möglichkeit geboten, die leider nicht wahrgenommen wurde, sagt sie. Die Reform wurde zwar – auch von vielen Feministinnen – gelobt, weil damit die Istanbul-Konventionen zum Schutz gegen Gewalt an Frauen umgesetzt wurden. Sagmeister bedauert, dass über die große Aufmerksamkeit für die Reform des Sexualstrafrechts die alte Forderung, Schwangerschaftsabbrüche nicht im Strafgesetzbuch zu regeln, untergegangen war.

Dieser Rest aus der Zeit der Theresiana und vor allem das Wissen, für eine Abtreibung zum Tode verurteilt werden zu können, prägen noch immer das kollektive Bewusstsein, ist Susanne Riegler überzeugt. "So etwas wirkt über Frauengenerationen hinweg traumatisierend". (Beate Hausbichler, 13.4.2017)