Wien – Die Frage, ob unter der sich gegenwärtig ereignenden Serienexplosion keine ganz großen Hits mehr möglich sind, also ob allzeit gültige Ware, wie "The Wire", "Breaking Bad", "Mad Men" nicht mehr realisierbar ist, grassierte unlängst in diversen Foren. Dass der Kommerz die Kreativität verschluckt hat, dass die Qualität unter der Flut an Neuproduktionen erstickt, dass das Fernsehen seine beste Zeit hinter sich hat. Es wird viel geunkt und beklagt an Orten wie diesen.

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Ich würde es nicht so pessimistisch sehen. Wer wollte denn behaupten, dass die steinerne Mädchenqueen in "The Crown" nicht 1A ist? Ist etwa das amerikanische Vorstadtweiber-Pendant "Big Little Lies" nicht großes Kino? "Game of Thrones", "The Walking Dead" – alles schon vergessen? So einfach lässt man sich seine Serienlieblinge nicht abschießen. Grenzenlos ist hingegen die Vorfreude auf den kommenden Freitag, "Fargo" geht in die dritte Runde, was uns zum eigentlichen Thema bringt. Die wärmsten Empfehlungen für die kommende TV-Woche:

Dienstag, 18. April

Apropos "The Wire". Im an Qualitätsprogramm nicht gerade reichen "Männersender" Dmax steigt Idris Elba in den Ring. Dessen zuckender Muskel ist Serienfreunden ein Begriff, angedeutet etwa in besagter weltbesten Serie aller Zeiten, wo er den sich fortbildenden Drogenboss Stringer Bell spielte. In "Idris Elba – Der Kampf seines Lebens" wird wahrscheinlich nicht so viel Wert aufs Denken gelegt. Elba lässt sich das Kickboxen beibringen, und eifriges Kerlchen, wie er ist, will er auch gleich zuschlagen. Eher was fürs Auge. Drei Folgen, 22.15 Uhr.

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Mittwoch, 19. April

2016 begann Stephan Lamby seinen Film "Nervöse Republik" für den NDR zu drehen. Im MIttelpunkt sah er Politiker und Journalisten und "ihren Kampf um Öffentlichkeit". Lamby hat ein Jahr die Zünfte im Zustand permanenter Aufgeregtheit beobachtet und Vertreter auf beiden Seiten interviewt. In der 90-minütigen Doku wirft er unter anderen die Frage auf, ob nicht Medien es selbst sind, die einer Partei wie der AfD unangemessen viel Aufmerksamkeit, nämlich in Relation zum Wählerpotential, zukommen lassen, und gerade dadurch den Erfolg der Populisten beschleunigt haben. In Österreich ist man in der Frage seit Jörg Haider/"News" wenigstens um diese Erkenntnis weiter.

Donnerstag, 20. April

Die Londoner Vorstadt nehmen Peter Bowker und Euros Lyn nach einer Erzählung von John Lanchester im BBC-Dreiteiler "Capital – Wir sind alle Millionäre" auseinander. Am Anfang steht eine Postkarte, die alle Bewohner einer Straße im Süden Londons erhalten. Petunia, die ihr ganzes Leben hier war, bekommt sie, der Ladenbesitzer Ahmed, der stinkreiche Banker Roger, der von einem einfacheren Leben träumt, seine hantige Frau, alle erhalten dieselbe Botschaft: "Wir wollen, was ihr habt", fortan ist für Unruhe im Mittelstand gesorgt. Beim Geld hört sich der Spaß auf. Letztlich läuft alles auf darauf hinaus, dass nur der nichts zu verlieren hat, der nichts hat. Schauen und staunen, was alles möglich ist, vor allem Toby Jones ("Orlando", "Sherlock – The Lying Detective) genießen. Arte zeigt zwei Teile um 20.15 Uhr.

BBC

Freitag, 21. April

Das Warten hat ein Ende: "Fargo" geht in die dritte Runde, was bisher zu sehen war, schaut viel versprechend aus. In den USA startet die dritte Staffel am 19. April 2017, hierzulande bringt Netflix die neuen Episoden der Krimisatire von Noah Hawley wöchentlich ab dem 21. April. Ewan McGregor spielt gleich zwei Figuren, einmal den grindigen Ray Stussi mit Vokuhila und Schnurrbart und dessen Bruder Emmit, den "Parking Lot King" von Minnesota. Mit Carrie Coon gibt es einmal mehr eine wackere Polizistin, die einiges zu tun haben wird, um im Schneesturm nicht von der Spur zu kommen. It's a tragedy, ya know.

Trailers Promos Teasers

Selbentags startet "Girlboss", ebenfalls auf Netflix. Die Geschichte der Mode-Millionärin Sophia Amoruso, die mit einem Konto auf Ebay anfing und mittlerweile Geld scheffelt.

Netflix US & Canada

Sonntag, 23. April

Das andere Ende der Welt hieß für DDR-Bürger des Jahres 1986: Balaton. Dass hier tatsächlich der Anfang der späteren historische Auflösung der Sowjetunion war, zeigt "Honigfrauen. Urlaub im Paradies". Die Erfurter Schwestern Catrin und Maja ischen sich unters Volk und widersetzen sich dem Vorurteil, dass man "nur einmal mit dem Finger schnippen muss.schon kleben sie an dir". Natalie Scharf und Christoph Silber schrieben das Drehbuch, Ben Verbong führte Regie. Doris Schretzmayer in einer Nebenrolle, für Freunde verflossenen Ost-Charmes. 20.15, ZDF.

Noch eine BBC-Serie: Es beginnt mit einer Autopanne und endet in einer Katastrophe. In "The Missing" erlebt James Nesbitt den Alptraum des Verlusts des eigenen Kindes. Beim Frankreich-Urlaub verschwindet der Sohn. Acht Jahre später setzt die Geschichte ein, Rückblicken rollen die Geschichte von damals auf. Der Reiz der Sache besteht nicht nur aus Hinweisen und neuen Wendungen, sondern auch in der Tatsache, dass in der Zwischenzeit einiges passiert ist. Harry und Jack Williams schrieben das Buch der vierteiligen Miniserie, Regie führte Tom Shankland. Aber Vorsicht, werte Serientäter: Die synchronisierte Fassung ist ein Graus.

BBC

Montag, 24. April

Die Woche beginnt mit "Schnell ermittelt", und das ist gut so. Die Kommissarin demonstriert, wie Verbrechen am besten beizukommen ist: Mit einem Mordsgrant. 20.15, ORF 1.

Jetzt noch der Trailer der Woche. Für mich "Orange Is The New Black". Die Botschaft: Ein Knall ist ein Knall, es kann aber auch ein Schuss sein. 9. Juni, Serienstart. Freu mich darauf.

Netflix US & Canada

Und ganz zum Schluss noch ein Buchtipp: Elizabeth Strout hat ein neues Buch veröffentlicht: "Anything Possible" führt wieder in die Kleinstadt und verspricht tiefe Einblicke ins menschliche Gefühlsleben. Lisa Cholodenko hat aus Strouts "Olive Kitteridge" mit Frances McDormand ein extravagantes Serienstück geschaffen. Was zu beweisen war: Die großen Stoffe gibt es, man muss vielleicht nur gründlicher suchen. Gute Woche, schönes Schauen! (Doris Priesching, 18.4.2017)