Der Einstieg der Italiener in die Bank Austria hält heute noch Gerichte und Strafjustiz auf Trab. Anleger sorgen dafür.

Foto: Matthias Cremer

Wien – Der Verkauf der Bank Austria (BA) an die italienische Unicredit und der Ausschluss der Minderheitsaktionäre (Squeeze-out) ist zwar schon ein Weilchen her (fand 2008 statt), Justiz und Behörden sind mit der Angelegenheit aber immer noch beschäftigt. Das behördliche Überprüfungsverfahren, das 72 Ex-BA-Aktionäre beim Handelsgericht Wien beantragt haben, hängt nach wie vor beim zuständigen Gremium. Die Anleger wollen ja eine höhere Abfertigung, Unicredit hatte 129,40 Euro je Anteilsschein bezahlt.

Dem spät in die BA eingestiegenen (und auf derartige Fälle spezialisierten) britischen Hedgefonds Polygon haben die Italiener dem Vernehmen nach 14 Euro mehr pro Aktie gezahlt. Das dazu geführte Schiedsverfahren hatten die Briten zwar verloren, im Vergleichsweg soll Unicredit aber was draufgelegt haben – der STANDARD hat berichtet.

Exschiedsrichter angezeigt

Hinter den dicken Vorhängen der Strafjustiz haben sich auch die Staatsanwälte mit der Sache beschäftigt – die heikelste Prüfung läuft noch: Polygon hat Mitte Februar eine Sachverhaltsdarstellung gegen Christoph Herbst bei der Staatsanwaltschaft (StA) Wien eingebracht. Herbst ist Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH) und Anwalt – in dieser Funktion kam er auch ins Spiel.

Kurzer Rückblick zu dieser Verästelung der langwierigen Angelegenheit: Im Schiedsverfahren war zunächst der Grazer Wirtschaftstreuhänder Fritz Kleiner Vorsitzender gewesen, er musste aber wegen Befangenheit gehen. Übernommen hat seinen Job dann Herbst. Er verfasste im Jahr 2012 den Schiedsspruch – und soll dafür die "Vorarbeiten" Kleiners verwendet haben, Herbst hat das bestritten. Bekannt wurde all das in einem Zivilprozess in Wien, in dem Kleiner Herbst auf 120.000 Euro geklagt hatte. Das Verfahren wurde im Sommer 2016 ruhend gestellt, die Streitparteien haben sich – angeblich – auf einen Vergleich geeinigt. DER STANDARD hat berichtet.

Auch WKStA ermittelte

Genau diesen Ball nahm Polygon in seiner Anzeige auf, der Fonds argumentiert, flapsig formuliert, Herbst habe bei Kleiner abgeschrieben und trotzdem sein volles Honorar kassiert. Herbst, für den die Unschuldsvermutung gilt, äußert sich zu den Vorwürfen auf Anfrage nicht. Die StA Wien sagt, sie prüfe die Anzeige.

Zudem war die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit der Sache beschäftigt. 2015 erstattete Polygon rund um Squeeze-out und um eine Kapitalerhöhung Anzeige gegen einen damaligen BA-Verantwortlichen und gegen unbekannte Täter – der Fonds vermutet Untreue beziehungsweise Betrug. Die in die Preisgestaltung Involvierten hätten das Vermögen der BA (vor allem den Erlös von 3,6 Milliarden Euro aus dem Verkauf der polnischen Bank BPH) nicht richtig respektive gar nicht mitberücksichtigt. In den Ermittlungen der WKStA wurde laut deren Sprecherin "der Tatverdacht entkräftet", das Verfahren Anfang 2016 eingestellt. Unicredit gab keinen dazu Kommentar ab.

Verfahren eingestellt

"Ab Juli 2016" trudelten allerdings weitere Anzeigen ein, woraufhin die WKStA ihren Fachexperten mit einem Gutachten betraute. Er kam im November 2016 zu dem "Zwischenfazit", dass die 3,6 Milliarden Euro aus dem BPH-Erlös in der von Wirtschaftsprüfer Deloitte erstellten Cashflow-Berechnung "nicht lokalisiert" werden konnte. Es sei "problematisch", dass er "die Behandlung bzw. Außerachtlassung des 3,6 Milliarden Euro Cashflows in der Planung für 2009 in keiner Weise kommentiert bzw. erläutert" habe.

Deloitte wurde im Rahmen dieser Ermittlungen aber nie befragt, wie der STANDARD erfahren hat. Im Februar brachten dann auch noch Vertreter deutscher Anleger eine Sachverhaltsdarstellung bei der WKStA ein. Allerdings: Im März 2017 beschloss die WKStA "nach umfassender Prüfung", das Verfahren nicht mehr fortzuführen, wie die Sprecherin der Behörde auf Anfrage erklärt.

Auch VfGH involviert

Auch der VfGH ist inzwischen mit der Causa befasst. Denn als Verlierer des Schiedsgerichtsverfahrens hat Polygon eine Aufhebungsklage gegen den Schiedsspruch eingelegt – und die wurde von der ersten Instanz abgewiesen. In der dafür vorgesehenen vierwöchigen Frist hat der Fonds nun die Verfassungsrichter angerufen – das Schiedsverfahren habe dem verfassungsrechtlich garantierten Prinzip des Rechts auf ein faires Verfahren widersprochen, meinen sie. In diesem Verfahren ist VfGH-Richter Herbst befangen. (Renate Graber, 11.4.2017)