Demonstration gegen den von Donald Trump angeordneten Luftangriff in Syrien in Los Angeles.

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Tritt der Präsident einen Krieg los, üben die beiden großen Parteien in den USA zumeist den Schulterschluss. Zumindest im ersten Moment, als wären es eingespielte Reflexe. Abgesehen davon, dass im Augenblick niemand genau weiß, ob Donald Trump in Syrien einen Krieg begann, seinen eigenen, oder nur schnell einmal seine Macht demonstrierte, um sich als Nächstes dem Krisenherd Nordkorea zuzuwenden: Nach dem nächtlichen Angriff auf die Luftwaffenbasis Shayrat war er nur von kurzer Dauer, der patriotische Schulterschluss zwischen Demokraten und Republikanern. Es dauerte nicht lange, bis heftige Kritik laut wurde. Im Kern geht es um die Frage: Welche Strategie verfolgt das Oval Office?

Sehe man den Raketenschlag nur für sich, als Antwort auf eine barbarische Giftgasattacke, sei dagegen nicht viel einzuwenden, schreibt Senator Chris Murphy, ein Demokrat aus Connecticut, in einem Essay. Nur könne eine Militäraktion eben nie isoliert gesehen werden, ohne zu fragen, was ihr voranging und was danach kommen soll.

Kritik an Doppelmoral

Betrachte man sie im Kontext der bisherigen Nahostpolitik des Weißen Hauses, falle die Scheinheiligkeit auf, mit der sie begründet wurde, schreibt der Politiker. Trump behaupte, er habe den Angriffsbefehl gegeben, weil ihn die Bilder toter Kinder bewegten. "Begreift unser Präsident nicht, dass es dieselben Kinder sind, denen er zweimal die Einreise in unser Land zu verbieten versuchte?", fragt Murphy unter Anspielung auf das zweimal vor Gericht gescheiterte Einreiseverbot für Bürger aus sechs – anfangs sieben – muslimisch geprägten Staaten. Indem Trump das Ziel verfolge, überhaupt keine Flüchtlinge aus Syrien mehr aufzunehmen, verurteile er eine viel größere Zahl an Kindern zum Tode, als vergangene Woche in Khan Sheikhun ums Leben gekommen seien.

Es ist nicht so, dass Murphy damit so etwas wie die Stimme der Demokraten wäre. Viele auf den Oppositionsbänken halten es eher mit Chuck Schumer, dem Fraktionschef der Partei im Senat, der Trump bescheinigt, das Richtige getan zu haben. Hillary Clinton sieht es ähnlich, auch wenn sie betont, dass dem Angriff auf die syrische Luftwaffenbasis schnellstens eine breiter angelegte Strategie zur Beendigung des Bürgerkriegs werde folgen müssen.

Kein grünes Licht

Tim Kaine, 2016 an Clintons Seite Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, stellt Verfassungsfragen heraus, ohne die Cruise-Missile-Attacke an sich abzulehnen. Nur für den Fall, dass den Vereinigten Staaten akute Gefahr drohe, gegen die der Staatschef das Land verteidigen müsse, könne Letzterer ohne grünes Licht des Parlaments zu militärischen Mitteln greifen, sagt Kaine. Von Syrien aber sei keine akute Gefahr für die USA ausgegangen, ergo hätte Trump die Legislative nicht übergehen dürfen: "Es ist der Kongress, nicht der Präsident, der Kriege erklärt..

Was kommt danach? Die Frage, die schnell in den Mittelpunkt der Debatte rückte, beantwortet die Regierung einstweilen mit verwirrender Kakofonie. Nikki Haley, die UN-Botschafterin, die sich zusehends als Sprachrohr repu blikanischer Hardliner profiliert, spricht neuerdings auffallend oft von "regime change" in Damaskus, obwohl sie genau das vor ein paar Tagen noch so gut wie aus geschlossen hatte (siehe unten). Außenminister Rex Tillerson betonte, dass der Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) nach wie vor an erster Stelle stehe, nicht der Sturz des Autokraten.

Erinnerungen an Clinton

Folgt man Tillerson, war der Schlag gegen Assad eher als Warnschuss gedacht, nicht als Beginn eines großangelegten Bombardements. Erst wenn die vom IS ausgehende Gefahr reduziert sei, sagte er am Sonntag, könne man sich der Stabilisierung der Lage in Syrien widmen. So etwas wie ein Konzept lässt sich derzeit kaum erkennen. Robert Ford, ein früherer US-Botschafter in Damaskus, glaubt jedenfalls nicht, dass Trump plötzlich mit Hochdruck auf die Entmachtung des syrischen Diktators hinarbeitet.

Vielmehr fühlt er sich an den Irak Mitte bis Ende der 1990er-Jahre erinnert: Bill Clinton, seinerzeit im Oval Office regierend, habe ab und zu Cruise Missiles abfeuern lassen, ohne dass es Saddam Hussein groß beeindruckt hätte. (Frank Herrmann aus Washington, 9.4.2017)