"Simplexity" von Thierry De Mey: Die 80 Minuten haben es in sich.

Foto: Julien Lambert

Innsbruck – Thierry De Mey ist Komponist und Filmemacher. Jetzt versucht sich der Belgier als Choreograf. Mit Erfolg, wie beim Osterfestival Tirol in der Innsbrucker Dogana zu sehen war. Der Titel seines Erstlings, Simplexity: La beauté du geste, klingt zwar bemüht, aber die rund achtzig Minuten Musik, Licht, Tanz und Liveprojektion haben es in sich.

De Mey nimmt sich die Freiheit, drei Tänzerinnen und zwei Tänzer so auf die Bühne zu schicken, dass dabei keine Geschichte erzählt wird. Er psychologisiert nicht, er schert aus den Verpflichtungen didaktischer Bekenntniskunst aus. Simplexity spiegelt weder Utopia noch Eutopia, sondern stellt die Vitalität einer möglichst ungebundenen künstlerischen Dynamik zur Debatte.

30 Jahre Erfahrung im Tanz

Das kann als Statement verstanden werden – und zwar als eines gegen die von allen Seiten auf die Gegenwartskunst einprasselnden Versuche der Vereinnahmung. Mit dieser im Vorjahr entstandenen "transmedialen" Arbeit wendet sich De Mey dem Beginn seiner Laufbahn zu. Bereits in den 1970ern fand er die Zusammenhänge zwischen Klang und Geste hinreißend. 1982 tanzte seine Schwester Michèle Anne De Mey mit der jungen Anne Teresa De Keersmaeker im Duett Fase zur Musik von Steve Reich. Ein Hit.

Daraufhin schrieb er 1983 die Musik für De Keersmaekers Rosas Danst Rosas, und für Wim Vandekeybus' Einstandserfolg What the Body Does Not Remember schuf er 1987 eine perkussive "Table Music", die auch als Tanz der Hände auftrat. Der Komponist surfte damals auf der Erfolgswelle der flämischen Choreografie, die er mit ausgelöst hatte.

Er war De Keersmaekers Leibkomponist und Stückverfilmer, und er gründete u. a. das Ictus Ensemble mit, bevor er 2005 zum Kodirektor des choreografischen Zentrums Charleroi Danse in der Wallonie wurde. De Mey hatte also über 30 Jahre Erfahrung mit Tanz, bevor er sich im Vorjahr an eine eigene Choreografie wagte.

Künstlerische Personalunion

In Simplexity bringt er nicht bloß die Tänzer, sondern auch die Livemusiker des Ensemble Intercontemporain in szenisch klar strukturierte Bewegungen aus komplexen Gestenverläufen, Farbkompositionen, einer Kameraintervention sowie musikalischen Lunten, Schichtungen, Einwürfen und Andeutungen.

Eine solche künstlerische Personalunion verwirklicht sich sogar im notorisch intermedialen Tanz nur selten. Das und die gelungene Umsetzung machen dieses Stück zu einer wirklichen Besonderheit. (Helmut Ploebst, 10.4.2017)