Abkehr vom bisherigen Kurs: US-Präsident Donald Trump nach der Verkündung des Luftschlags gegen Syrien. "Kein Kind Gottes soll jemals so einen Horror erleben", sagte er.

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Es ist abends gegen zehn, als Donald Trump in Mar-a-Lago an ein Rednerpult mit dem Weißkopfadlerwappen tritt, bevor er den chinesischen Präsidenten zum Galadiner empfängt. Er liest vom Teleprompter, kein einziges Mal weicht er ab vom vorbereiteten Text, was sonst überhaupt nicht seine Art ist. Als ihm die versammelten Reporter Fragen zurufen, ignoriert er sie. Trump, der schrille Entertainer des Wahlkampfs, ist in dieser Stunde die Ernsthaftigkeit in Person. Er muss nicht nur einen Militärschlag begründen, sondern auch eine Kehrtwende.

Am Programm stand ein historisches Treffen mit Xi Jinping, das erste mit Chinas Staatschef, doch dieses geriet dann in den Hintergrund. Immerhin verkündete Trump an diesem Abend das genaue Gegenteil von allem, was er bisher gesagt hatte: Bashar al-Assad und den "Islamischen Staat" zugleich ins Visier zu nehmen, das wäre verrückt und idiotisch, hatte er noch vor Monaten verkündet. Es war ein typischer Satz für einen Kandidaten, der in nahöstlichen Potentaten Stabilitätsfaktoren sah, jedenfalls keine Störfaktoren, denen Amerika Paroli bieten musste. Was er in der Nacht zum Freitag sagt, steht dem diametral gegenüber. Stellenweise klingt es nach jenem amerikanischen Sendungsbewusstsein, mit dem Trump, eher im Lager der Isolationisten verortet, so gar nichts am Hut zu haben schien.

Gezielter Luftangriff

Assad, sagt er zu später Stunde in seinem Klub, habe das Leben hilfloser Männer, Frauen und Kinder erstickt. "Es war ein langsamer und brutaler Tod für so viele. Selbst wunderschöne Babys wurden grausam ermordet bei dieser barbarischen Attacke. Kein Kind Gottes sollte je solche Schrecken erleiden." Er habe einen gezielten Schlag gegen eine Luftwaffenbasis in Syrien angeordnet, sagt Trump. Es liege im nationalen Interesse der Vereinigten Staaten, von der Verbreitung und Anwendung chemischer Waffen abzuschrecken. Vorangegangene Versuche, Assads Verhalten zu ändern, seien gescheitert, "sehr dramatisch gescheitert".

Kurz darauf gibt das Pentagon erste Kamerabilder frei. Sie zeigen: eigentlich nichts. Einen Feuerball, die Silhouette eines Kriegsschiffs, nachts sekundenlang erhellt durch den Lichtblitz. Ab 20.40 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit, so das Pentagon, seien von zwei im östlichen Mittelmeer kreuzenden Zerstörern, USS Porter und USS Ross, insgesamt 59 Cruise-Missiles abgefeuert worden. Sie hätten Flugzeuge, Flugzeughallen, Benzintanks, Munitionslager und Radaranlagen getroffen. Der Sprecher, ein Captain namens Jeff Davis, legt Wert auf die Feststellung, dass Russland vorab informiert wurde. Man habe sich eingespielter Kanäle zwischen den Streitkräften beider Länder bedient, um das Risiko für russisches Personal auf der Luftwaffenbasis Shayrat zu minimieren. Und darauf geachtet, keine Bereiche des Stützpunkts ins Visier zu nehmen, in denen man russisches Militär vermutet habe. Von Shayrat starteten laut syrischen Aktivisten am Freitag schon wieder syrische Flugzeuge zu Angriffen bei Homs.

Wie die Entscheidung zum Angriff fiel, haben Rex Tillerson und Herbert Raymond McMaster, der Außenminister und der Sicherheitsberater des Präsidenten, amerikanischen Reportern noch in der Nacht bruchstückhaft nacherzählt. Demnach begann es am Dienstag mit schockierenden Fernsehaufnahmen, Dokumenten der Chemiewaffenattacke im Norden Syriens. Trump, heißt es, habe sich rasch entschlossen, Assad dafür zu bestrafen. Am Mittwoch ließ er ad hoc den Nationalen Sicherheitsrat tagen, um Varianten eines Militärschlags durchzugehen. Drei Optionen standen laut McMaster zur Wahl. Am Donnerstagnachmittag flog er nach Florida zu den Gesprächen mit Xi Jinping. Dort fielen nach nochmaliger Beratung im kleinen Kreis seiner Sicherheitsexperten die Würfel. Folgt man der offiziellen Darstellung, entschied sich der US-Präsident unter den zur Debatte stehenden Angriffsszenarien für dasjenige mit dem geringsten Eskalationsrisiko.

Botschaft an Assad

In erster Linie, zitiert die New York Times einen Ministerialbeamten, sei es um eine symbolische Botschaft an Assad gegangen: Die USA würden sich nochmals militärischer Gewalt bedienen, falls er wieder zu Giftgas greife.

Das Verhältnis zu Russland könnte sich weiter verschlechtern: Das US-Verteidigungsministerium untersucht, ob Russland am Giftgasangriff beteiligt war. Das Mindeste, was Moskau vorzuwerfen sei, sei, dass es den Angriff nicht verhindert habe. Andererseits wollte die US-Regierung den gemeinsamen militärischen Kommunikationskanal in Syrien weiter offenhalten – Moskau will ihn schließen – und auch die IS-Offensive unverändert fortführen. (Frank Herrmann aus Washington, 7.4.2017)