Martin Schulz möchte im Herbst deutscher Bundeskanzler werden – möglicherweise mit Hilfe der FDP. Beim ersten SPD-Kanzler Willy Brandt, der im Hintergrund als Statue zu sehen ist, klappte es auch so.

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In Saarbrücken begann am Freitag, was führende deutsche Politiker in Berlin nach der Bundestagswahl eigentlich verhindern wollen: Gespräche von CDU und SPD über die Fortsetzung einer großen Koalition. Christ- und Sozialdemokraten waren sich in dem kleinen Land zwei Wochen nach der saarländischen Landtagswahl schon einig, dass sie es weiterhin miteinander versuchen wollen.

Martin Schulz, neuer SPD-Chef und Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokraten, ist nicht sonderlich begeistert. Denn an der Saar bleibt der SPD nichts anderes übrig, als wieder die Juniorpartnerin zu geben. Aber für eine rot-rote Regierung aus SPD und Linken hat es nicht gereicht.

Öffnung zur Linken

Gegenüber einem solchen Bündnis hatte sich Schulz vor der Wahl durchaus offen gezeigt. Auch seine Abkehr von zentralen Teilen der Agenda 2010 von Exbundeskanzler Gerhard Schröder war als Öffnung hin zur Linken verstanden worden.

Doch der deutliche Sieg der CDU im Saarland und das Misstrauen der Wähler gegenüber einem rot-roten Bündnis haben Schulz offenbar dazu gebracht, sich nach anderen Möglichkeiten umzusehen. Denn wenn er im Herbst Kanzler werden will, braucht er eine Machtoption.

Erinnerung an sozial-liberale Koalition

Jetzt wirft Schulz also der FDP begehrliche Blicke zu, indem er den ehemaligen Koalitionspartner lobt. "Die sozial-liberale Koalition auf Bundesebene hat Deutschland ganz sicher moderner und demokratischer gemacht", sagt Schulz und erinnert damit an die Zeit von 1969 bis 1982. Zunächst wurde damals Willy Brandt als erster Sozialdemokrat deutscher Bundeskanzler.

1974, nach seinem Rücktritt, führte sein Nachfolger Helmut Schmidt das Bündnis fort. 1982 allerdings half die FDP, Schmidt zu stürzen, und wechselte in eine Koalition mit Helmut Kohl und der CDU. Aber, so Schulz: "Das ist alles Vergangenheit." Er werde sich gern einmal mit FDP-Chef Christian Lindner treffen.

Nicht an Merkels Rockzipfel

Auch vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann kommt auffälliges Lob für Lindner. Dieser bemühe sich, "nicht länger am Rockzipfel von Frau Merkel zu hängen und Brücken zu anderen Parteien zu bauen".

Zuletzt war die FDP von 2009 bis 2013 Junior in der schwarz-gelben Regierung von Merkel. 2013 flog sie aus dem Bundestag und kämpft seither als "Apo" (außerparlamentarische Opposition) um den Wiedereinzug.

Ampelkoalition als Option

Diesen könnte sie am 24. September schaffen. Für ein sozial-liberales Bündnis dürfte es aber selbst dann nicht reichen. Schulz müsste die Grünen mit ins Boot nehmen und eine Ampelkoalition bilden. Eine solche regiert derzeit in Rheinland-Pfalz.

FDP-Chef Lindner zeigt sich gegenüber Schulz' Avancen nicht gänzlich abgeneigt und erklärt: "Ich freue mich, wenn die SPD ihre alten Feindbilder einpackt. Natürlich werde ich Herrn Schulz genauso treffen wie Frau Merkel." Inhaltlich aber sieht er Schwierigkeiten: "Wenn die SPD also vor allem über Steuererhöhungen sprechen will, dann werden die Gespräche kurz." Schulz erklärt seit seiner Nominierung, er wolle dafür sorgen, dass es in Deutschland "gerechter" zugehe.

Skepsis in der FDP

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki ist hingegen auf Distanz zur SPD. Es wecke wenig Vertrauen in Schulz, wenn dieser "zunächst eine tiefrote Agenda der sozialen Gerechtigkeit ausruft, um sich anschließend den Freien Demokraten anzudienen, die man kürzlich noch in alter SPD-Manier der neoliberalen Kaltherzigkeit beschuldigt hat", meint er.

Der "Schulz-Effekt" lässt übrigens wieder nach. Laut ZDF-Politbarometer liegt der SPD-Kandidat bei der Frage nach der Kanzlerpräferenz wieder bei 40 Prozent, Merkel bei 48. Vor einem Monat haben beide 44 Prozent erreicht. (Birgit Baumann aus Berlin, 8.4.2017)