Perugia – Donald Trump ist das Beste, was dem Journalismus passieren konnte. Davon sind manche Journalisten überzeugt – andere sehen ihn als Worst-Case-Szenario. Die Diskussion um die Rolle von Donald Trump ist auch eine um die Gegenwart und Zukunft der Medien. Über Glaubwürdigkeit, über Arroganz, über die Rolle der Medienkonsumenten. Journalismus ist jedenfalls in Bewegung, doch wohin?

Das Online-Magazin "Vocer" hat mit der Initiative #netzwende eine Diskussion eröffnet über Fake News, Hate Speech, Populismus, Non-Profit Nachrichtenberichterstattung und allem was sonst aktuell noch auf dem medialen Diskussionsplan steht. Eine Art Wake-up-Call gab die Netzwende-Veranstaltung auf dem Journalismusfestival in Perugia. Fünf Redner konnten in jeweils fünf Minuten ihren Standpunkt vertreten.

Journalismus und der Umweltschutz

Trump als das Tschernobyl oder Fukushima des Journalismus. So drückt Frederik Fischer, Chefredakteur von Piq.de aus, was er als "Nachhaltigkeitsbewegung des Journalismus" definiert. Der schnelllebige Industrie-Journalismus müsse dabei abgekapselt werden von dem Journalismus, der dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll.

Weniger arrogant in die Zukunft

Guia Baggi, Mitgründerin der italienischen Investigativ-Plattform IRPI sieht die Zukunft im Networking. Ganz im Sinne von "Was die können, können wir auch", sollen sich auch Journalisten gegenseitig unterstützen wie ihre Kritiker, und gemeinsam an einem Strang ziehen. Wichtig sei dabei: den Bezug zur Bevölkerung nicht zu verlieren. Anstatt sich die sozialen Interaktionen via Twitter und Facebook abzuholen, sieht sie den realen Marktplatz als Treffpunkt zwischen denen die berichten und denen über die berichtet wird. Dass dabei viel Arroganz fallen muss, die sich im Mediensektor angesammelt hat, davon ist Lina Timm, Gründerin von "Media Lab Bayern" überzeugt.

Von Links nach Rechts: Guia Baggi (co-founder IRPI), Frederik Fischer (chief editor Piq.de), Lina Timm (founder and program manager Media Lab Bayern), Claire Wardle (First Draft News), Jeff Jarvis (Graduate School of Journalism CUNY), Adam Thomas (director European Journalism Centre). Vorne: Stephan Weichert (Hamburg Media School)
Foto: Veronika Felder

Die Trump-Präsidentschaft sieht sie als etwas, das sich schon seit vielen Jahren angekündigt hat. Ein Problem, das die Journalisten als eines des Vertrauensverlusts bezeichnen, sieht sie in der brancheneigenen Arroganz. "Wir, die Journalisten wissen was interessant für die Öffentlichkeit ist, weil wir es eben wissen. Wir, die Journalisten sind die, die über Leserbriefe lachen, aber auch über neue Player auf dem Medienmarkt". Eine Welt ohne klassische Medien war lange unvorstellbar. In Zeiten von Blogs und Medien Start-Ups, ist dieser Gedanke für Timm überholt. Sie seien bodenständiger, hätten eine bessere Beziehung zum Publikum und eine höhere Arbeitsmoral.

Hör gut zu!

Journalisten, die sich über öffentliche Kommunikation informieren, und nicht umgekehrt – ein How-to-be-Rezept von Jeff Jarvis, Professor an der Graduate School of Journalism in New York. Die Trump-Präsidentschaft sieht er als Katastrophe. Sie sei eine Lektion darin, wie schlecht Journalismus zuhören kann. Nicht nur dann, wenn es darum geht, Phänomene und Probleme wirklich zu verstehen, sondern auch um zu erkennen woher die wirklich wichtigen Informationen kommen.

Immer wieder Trump

"Tausende Geschichten die da draußen auf uns warten, werden nicht erzählt, weil wir so besessen von ihm sind": Claire Wardle von First Draft News lässt ihrem Ärger über Donald Trump freien Lauf. Ihr scheinen Journalisten über alle Ressorts hinweg auf den US-Präsidenten fixiert. "Diese Obsession der ganzen Branche sollte ein Ende haben", appelliert Wardle. Die Journalisten sollten Trump ernst nehmen, seine Fake-News-Unterstellungen und systematische Desinformation, aber auch seine vielen Unterstützer – anstatt sie zu belächeln.

Man kann das Phänomen aber auch ganz anders wahrnehmen: Trump als Retter des Journalismus. So sieht Adam Thomas, der Direktor des European Journalism Centre, den US-Präsidenten. Klassischer Journalismus erreiche wesentliche Teile der Gesellschaft nicht mehr – das führe das Phänomen Trump der Branche überdeutlich vor Augen. Journalisten müssten aber gerade jetzt Brücken bauen und so – wieder – zu Informationsmanagern und Architekten des Vertrauens werden.

Erwachet!

Diese Selbsterkenntnis einerseits und die Veränderungen in der Gesellschaft eröffneten dem Journalismus neue Wege. Neue Businessmodelle etwa können dadurch entstehen, wenn Menschen mit Interesse am Qualitätsjournalismus diesen auch finanzierten. Davon könne auch die Gesellschaft profitieren.

Oder, in Adam Thomas’ etwas pathetischen Worten: "Das könnte zu einer neuen Erweckung der Gesellschaft führen." (Veronika Felder, 7.4.2017)

Das Video zum Panel:

International Journalism Festival