Es ist schon eine absurde Situation: Ausgerechnet nach ihrem größten Erfolg – mit Alexander Van der Bellen wurde erstmals einer der Ihren Bundespräsident – sind die Grünen in eine ihrer heftigsten Krisen gestolpert. Und diese Krise droht mit ihrem Verlauf existenzbedrohende Ausmaße anzunehmen.

Die Kampagne für Van der Bellen war von einer positiven Grundstimmung getragen, von einer Vision und einer Offenheit, die viele Menschen abseits des klar abgesteckten Spektrums der Grünen ansprachen. Nur so war dieser Wahlerfolg möglich. Daraus haben die Grünen gar nichts gemacht. Der Schwung dieser Bewegung für Van der Bellen wurde nicht mitgenommen. Die Chance, auf andere Menschen als die klassischen Grün-Wähler zuzugehen, sich im ländlichen Raum zu verbreitern, Wirtschaftstreibende, Bürgerliche, Bauern und verstärkt wieder junge Menschen anzusprechen und zu interessieren, wurde nicht genutzt. Im Gegenteil: Der frohe und konstruktive Geist der Kampagne für Van der Bellen ist ansatzlos verpufft. Die Grünen haben sich stattdessen wieder eingeengt und zugemacht.

Es gibt kein höheres Ziel, keine spürbare Motivation, keine nachvollziehbare Strategie. Stattdessen hat nach innen wie nach außen eine Misstrauenskultur um sich gegriffen. Die rebellische Jugendorganisation wurde auf höchst unsouveräne Weise aus der Partei ausgeschlossen.

Diese von hierarchischem und autoritärem Denken getragene Vorgangsweise war ein strategischer Fehler. Das ist Politik von vorgestern – mit einem falschen Signal nach außen: Widerspruch wird nicht geduldet, andere Ansätze werden abgelehnt, Querdenker sind nicht gefragt. Die Handhabung der Krise war und ist eine einzige Katastrophe, die Kommunikation hat komplett versagt.

Parallel dazu reiben sich die Grünen in Wien an einer anderen Krise auf: Zwischen den Befürwortern und Gegnern des Hochhausprojekts am Heumarkt tun sich massive Gräben auf, die Urabstimmung über dieses bereits beschlossene Bauvorhaben droht zur Abstimmung über Maria Vassilakou zu werden – mit möglicherweise fatalem Ausgang.

Die Grünen können sich selbst nicht mehr erklären. Es gelingt ihnen nicht, das Gefühl zu vermitteln, sie hätten noch Lust auf Politik. Was wiederum eine Grundvoraussetzung dafür ist, von Wählern als attraktiv wahrgenommen zu werden. Es wird das Bild vermittelt, die Grünen seien ein zerstrittener Haufen. Die Landesorganisationen machen gegen die Bundespartei mobil, die Parteiführung agiert hilflos und schottet sich ab. Ein Themensetting abseits der eigenen Turbulenzen gelingt de facto nicht mehr.

Dass Parteichefin Eva Glawischnig derzeit krank und nicht ansprechbar ist, kommt als Pech hinzu, ist aber nahezu symptomatisch. Über ihre Nachfolge wird bereits heftig spekuliert.

Der Zustand der Grünen ist aber nicht nur für sie selbst äußerst bedrohlich, er ist auch für die allgemeine Lage der Politikmachenden und der Bürger, die davon abhängig sind, höchst bedenklich. Das politische Spektrum wird spürbar schmäler. In diesem Zustand nehmen sich die Grünen auch als potenzieller Koalitionspartner selbst aus dem Spiel. Damit läuft alles auf eine Koalition entweder der SPÖ oder der ÖVP mit der FPÖ hinaus – in welcher Rangordnung auch immer. Und das bedeutet zwangsläufig eine Einengung der Politik, die man sich nicht wünschen mag. (Michael Völker, 5.4.2017)