Die Wachsfigur von US-Präsident Donald Trump im chinesischen Shenyang bleibt ein Besuchermagnet. Am Donnerstag trifft Chinas Präsident Xi Jinping das Original. Dabei gibt es einiges aufzuarbeiten.

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Wäre Jimmy Carter nicht gewesen, müsste Donald Trump wohl nach Camp David ausweichen, um in einem Refugium fern der hektischen Hauptstadt mit dem hohen Gast aus China zu reden. In die Waldsiedlung in den Catoctin-Bergen, deren rustikalen Charme er angeblich nicht mag. Da aber Carter beschloss, das Domizil Mar-a-Lago wegen hoher Kosten abzustoßen, stand es überhaupt erst zum Verkauf. 1985 erwarb Trump den Palast. Den nutzt er nun, um sich zu entspannen und ab und zu politische Prominenz zu empfangen.

Am Donnerstag kommt Chinas Präsident Xi Jinping nach Florida. Bereits vor vier Jahren, als er seinen Antrittsbesuch bei Barack Obama machte, reiste er statt nach Washington nach Kalifornien, wo die beiden in Sunnylands, dem früheren Oasen-Anwesen des Verlegers Walter Annenberg, stundenlang über Golfwiesen liefen.

Strafzölle angedroht

Als der Wahlkämpfer Trump Schuldige für die industrielle Misere des Mittleren Westens suchte, attackierte er kein Land so heftig wie China. Peking "vergewaltigt die US-Wirtschaft", bei seinen Exportüberschüssen handle es sich um den größten Diebstahl der Weltgeschichte, wetterte er. Daher werde er Importe mit Strafzöllen von bis zu 45 Prozent belegen. Zumindest diese Drohung hat er nicht wiederholt: Wie hoch die protektionistischen Barrieren am Ende ausfallen werden, kann seriös keiner sagen.

Trumps Handelsminister Wilbur Ross hat erst vor wenigen Tagen eine Studie avisiert, in der man den Ursachen des amerikanischen Handelsdefizits Land für Land auf den Grund gehen wolle. Dass China für 347 Milliarden Dollar mehr Waren in die USA exportiert, als es von dort einführt, nannte Ross an erster Stelle. Das Timing der Ankündigung war alles andere als Zufall: Xi ante portas, da wollte das Oval Office Maximalpositionen abstecken.

Kim wirft den Plan um

Allerdings bewahrheitet sich einmal mehr der weise Spruch des britischen Expremiers Harold Macmillan, wonach es, frei zitiert, die aktuellen Ereignisse sind, die eine Tagesordnung schnell über den Haufen werfen. Ganz oben auf der Prioritätenliste dürfte nicht der seit langem schwelende Handelskonflikt stehen, sondern das Atomwaffen- und Raketenprogramm Nordkoreas. China habe großen Einfluss auf Nordkorea, sagte Trump der "Financial Times", wenn es Amerika helfe, sei das sehr gut für China, und wenn nicht, sei es für niemanden gut.

Kein Zweifel, er pokert hoch, er verstärkt den Druck. Das aber hat er mit Blick auf Peking schon einmal getan, um hinterher zum Rückzug zu blasen. Kurz nach seiner Wahl stellte er die Ein-China-Politik infrage, die seit über 40 Jahren die Grundlage für das schwierige Verhältnis zwischen beiden Staaten bildet. Wenig später ruderte er zurück, auch in einem Telefonat mit Xi. Nach Berichten war es Jared Kushner, Schwiegersohn des Präsidenten, der die Aussprache einfädelte.

Klärendes Gespräch

Das Zurückstecken im ersten Konflikt hat man auch in China wahrgenommen. Dort reagierte man zuletzt betont gelassen auf die Äußerungen Trumps in der "Financial Times". Zuletzt hatte Trump die Chinesen brüskiert, indem er am Freitag via Twitter betonte, dass die Gespräche "besonders schwierig" werden würden.

Vizeaußenminister Zheng Zeguang hatte sich auf die Frage nach diesem Tweet bei seiner Pressekonferenz kurz danach schon vorbereitet. Er sehe die Sache positiv, sagte er: China und die USA würden beide das Treffen als "sehr wichtig" ansehen, als "neuen Startpunkt". Zwar nannte Zheng die Handelsbilanz beider Länder, die 2016 bei 350 Milliarden US-Dollar zugunsten Chinas bei einem Handelsvolumen von knapp 520 Milliarden US-Dollar lag, "eine Tatsache". Xi werde beim Treffen mit Trump die Gründe dafür erklären.

Der Staatschef erlaubt keinerlei Störung vor dieser ersten Begegnung. Er will den privaten Gipfel vor seinem 19. Wahlparteitag im November unbedingt zu seinem Erfolg machen, gleich wie unberechenbar Trump dazwischenfunkt. Xi hatte sich mit dem vorherigen US-Präsidenten Barack Obama auf die besondere Beziehungsformel der "neuartigen besonderen Beziehungen zwischen zwei Großmächten" verständigt. Das Konstrukt sollte verhindern, dass sich Zusammenstöße – etwa im Meer – zu Kriegen auswachsen. Vizeaußenminister Wang Chao verriet, dass sich Xi mit Trump auf eine neue Definition dieser Beziehungen einigen wolle.

Ein Statement dazu würde vorbereitet. Vergangenen Monat sagte US-Außenminister Rex Tillerson bei seinem Antrittsbesuch bei Xi in Peking, dass die USA mit China "ihre bilateralen Beziehungen für die nächsten 50 Jahre entwerfen wollen" und dafür eine Kooperation suchten, die zu "keiner Konfrontation und zu keinem Zusammenstoß" führe. Das sieht China als gute Voraussetzung – nicht zuletzt deshalb, weil es der eigenen Formulierung entspricht. (Frank Herrmann aus Washington, Johnny Erling aus Peking, 6.4.2017)