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Personelles Vakuum, finanzielle Einschnitte: "Rex allein zu Haus", spotten Washingtoner Diplomaten über den neuen US-Außenminister Rex Tillerson (hier bei der Anti-IS-Konferenz in Washington).

Foto: Reuters / Joshua Roberts

Oben flattern alte Plastikplanen vor leeren Fensterhöhlen, unten steht ein ockerbrauner Bauzaun, der seit geraumer Zeit zum Straßenbild an der 23rd Street im Washingtoner Stadtteil Foggy Bottom gehört. Nach den Wünschen des Bauherrn soll das neue Fensterglas einer Explosion standhalten können, während im Inneren trennende Wände verschwinden, damit modernere Beratungsräume entstehen. Als die Arbeiten am Harry S. Truman Building, dem Domizil des State Department, begannen, hatte Donald Trump gerade seine Bewerbung fürs Weiße Haus angekündigt. Nun steht auf einer blauen Tafel: "Für das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika baut: Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten".

Bis zum Sommer soll sie abgeschlossen sein, die aufwendige Modernisierung. Lange war es nur eine Baustelle von vielen in Washington, den Medien kaum eine Erwähnung wert. Doch auf einmal ist sie überfrachtet mit großer Symbolik: Während an der 23. Straße, nicht weit vom berühmten Watergate-Komplex, die Hämmer lärmen, nimmt Trump ein anderes Projekt in Angriff. Den Umbau amerikanischer Außenpolitik.

Zum einen will er den Etat des Pentagon um fast zehn Prozent erhöhen und damit harte militärische Macht stärken, zum anderen streicht er der weichen Macht der Diplomatie die Mittel. Um 31 Prozent soll das Budget des State Department, eingeschlossen die Finanzhilfe für Partner im Ausland, im nächsten Haushaltsjahr gekürzt werden. Obwohl absehbar ist, dass der Kongress die Blaupause noch korrigiert, bevor er Gesetze verabschiedet, läuten in Foggy Bottom die Alarmglocken.

Effiziente Außenpolitik

Denn der Außenminister sieht aus wie ein passiver Beobachter, statt für sein Ressort zu kämpfen. Der Etat biete die Chance, einen neuen Kurs abzustecken, schrieb Rex Tillerson, unterwegs in Japan, in einer aus neun Sätzen bestehenden E-Mail, als das Weiße Haus die Pläne vorstellte. Außenpolitik müsse effizienter werden.

Ginge es tatsächlich allein um eine Schlankheitskur für eine aufgeblähte Bürokratie, würden das viele in Foggy Bottom begrüßen. Mittlerweile gibt es, um nur zwei Kategorien zu nennen, 16 Sondergesandte und 16 Sonderrepräsentanten. Kompetenzen überschneiden sich, Entscheidungsprozesse ziehen sich hin. Doch indem Tillerson kleinlaut beigibt, riskiert er den eigenen Bedeutungsverlust.

Seit Wochen stellt sich die Frage, wann er endlich an Profil gewinnt. Wann er sich aus der Deckung wagt. Und ob er womöglich nur eine Statistenrolle im Kabinett Trumps spielt. Als er sein Amt antrat, war der bullige Texaner, als früherer Chef des Ölkonzerns Exxon Mobil weltweit gut vernetzt, neben Verteidigungsminister James Mattis Hoffnungsträger, weltzugewandter Realpolitiker.

Bisher erwies sich die Hoffnung als trügerisch, zumal es so aussieht, als hätte der Chefdiplomat nicht viel zu bestellen. Als im März sein mexikanischer Amtskollege Luis Videgaray anreiste, um im Oval Office zu verhandeln, nicht im State Department, antwortete Tillersons Sprecher auf eine Reporterfrage, er wisse nichts von dem Besuch.

In der Zeitschrift "The Atlantic" kam neulich ein Mitarbeiter aus der mittleren Leitungsebene zu Wort, wenn auch nur anonym. "Ich glaube, diese Regierung hält das State Department für überflüssig", klagte er. "Sie denken, das kann doch alles Jared Kushner machen. Es erinnert mich an Entwicklungsländer, in denen ich auf Posten war. Die Herrscherfamilie bestimmt alles, und im Außenministerium wissen sie nichts."

"Die Regierung begreift nicht"

Kushner, 36-jähriger Schwiegersohn Trumps, ein Immobilienunternehmer ohne Regierungserfahrung, hat Tillerson einstweilen in den Schatten gestellt. Als wäre er der Spiritus Rector der Außenpolitik, kümmert er sich um den Nahostkonflikt ebenso wie um das Verhältnis zu China und die durch Mauerbaupläne belasteten Beziehungen mit Mexiko. Diese Woche flog er sogar nach Bagdad, vom Stabschef der US-Streitkräfte eingeladen.

Tony Blinken war Vize-Außenminister der Regierung Obama, ein glühender Verfechter der liberalen Weltordnung. "Diese Regierung begreift nicht, dass Diplomatie nationale Sicherheit bedeutet", sagte er in einem Radiointerview. Aus Sicht der Trump-Leute hätten sich die USA zu sehr in der Welt engagiert, während sich andere Länder mit der Rolle von Trittbrettfahrern begnügten. Das Herzstück Trump'scher Strategie bilde eine ethno-nationalistische Ideologie, die Antwort auf jene 70 Jahre, in denen sich Amerika für eine offene Welt eingesetzt habe.

Zuletzt war es ein Baustellengerücht, das in Foggy Bottom für Aufregung sorgte. Tillerson, hieß es, lasse auch die Chefetage neu gestalten. Er wolle Platz machen für Abgesandte des Weißen Hauses. Für Aufpasser, von Trump in die misstrauisch beäugte Diplomatie-Zentrale beordert. Zumindest dieses Gerücht erwies sich als falsch. (Frank Herrmann aus Washington, 5.4.2017)