José Carlos Grey Key als "Diener" in Mauthausen.

Foto: Museu d'História de Catalunya

Mauthausen/Wien – Das Foto aus dem Jahr 1942 ist ein Zeitdokument – und gleichzeitig Beleg einer bisher unbeachteten Ausprägung nationalsozialistischer Verfolgungspolitik. José Carlos Grey Key, ein aus einer äquatorialguineischen Familie stammender Spanier, ist in Habtachtstellung vor der Tür einer Baracke im Konzentrationslager Mauthausen zu sehen: als einer von 157 bis dato identifizierten afrikanischen und afro-karibischen Häftlingen in Mauthausen.

Aufgenommen wurde das Bild unter Zwang: Der katalanische Gefangene Francisco Boix schoss es im Auftrag der SS. Grey Key trägt darauf die Uniform eines Dieners. Der damalige Lagerkommandant, Franz Ziereis, verwendete ihn als solchen. Später verlor der politische Häftling seine Dienerfunktion wieder. Die Befreiung im Jahre 1945 erlebte er.

"Anklang an Hofmohrentradition und Sklaverei"

Die Rekrutierung eines schwarzen Häftlings als Diener des Lagerleiters sei wohl "als Anklang an die Hofmohrentradition und die Zeiten der Sklaverei zu verstehen", sagt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker an der Uni Wien, Walter Sauer. Gemeinsam mit dem in Österreich lebenden Kameruner Journalisten und Soziologen Simon Inou hat Sauer das Projekt "Afrikanerinnen und Afrikaner im KZ Mauthausen" betreut. Mit seinem spezifischen Fokus auf im Nationalsozialismus verfolgte Schwarze stellt es in der österreichischen KZ-Forschung eine Pionierleistung dar. Gebe es Geld, soll es um Projekte über Afrikaner spanischer oder britischer Nationalität erweitert werden.

Die Recherchen anhand der im Innenministerium befindlichen Datenblätter der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gingen dabei nicht ohne Schwierigkeiten vonstatten. Barbara Fuchslehner und Karin Röhrling, zwei Teilnehmerinnen am Wiener Universitätslehrgang Library and Information Studies, durchforsteten die 9226 Eintragungen über Häftlinge französischer Nationalität unter den insgesamt rund 169.000 Datensätzen. Eine Reihe von ihnen, so lautete die These, beträfen Menschen aus den damaligen französischen Kolonien in Afrika.

Doch anhand der Eintragungen ließ sich dies bis aus wenige Ausnahmen nur mit Mühen eruieren. So war etwa nur in wenigen Fällen notiert worden, dass es sich bei einem Häftling um einen Schwarzen gehandelt habe.

"Ambivalenz im Nationalsozialismus"

Das, so Sauer, habe mit einer "Ambivalenz im Nationalsozialismus" zu tun: Einerseits seien Schwarze "rassisch" ebenso abgewertet worden wie Juden – wenn es auch, im Unterschied zu diesen, keinen Vernichtungsbefehl gegen Schwarze gab. Andererseits hätten die Nazis im Lichte revanchistischer kolonialistischer Bestrebungen "geglaubt, Afrikaner in künftigen Kolonien noch gebrauchen zu können". Im Resultat sei die Hautfarbe Inhaftierter nicht im Zentrum gestanden: Schwarze aus Afrika seien in der Regel "politische Häftlinge" gewesen.

Konkret wurden im Rahmen des Projekts 104 algerische, 19 tunesische, 17 marokkanische und vier ägyptische Mauthausen-Insassen neu identifiziert, unter ihnen auch drei Frauen. Aus Guadeloupe, La Réunion, Madagaskar, Martinique, Benin, Kongo, Südafrika und Mali stammten je ein oder zwei Häftlinge. 84 Afrikaner wurden befreit, 61 starben in KZ-Haft, bei anderen verlor sich die Spur.

Mahnmal für Afrikaner

Ihnen allen zur Erinnerung solle auf dem ehemaligen Lagergelände ein Mahnmal errichtet werden, fordert Projekt-Kobetreuer Inou. Und zwar "unter Beteiligung Österreichs sowie der afrikanischen Staaten, aus denen sie stammten". Aus diesem Grund hat sich Inou an die Afrikanische Union mit der Bitte um Zusammenarbeit gewandt. Das Geschichtsbild um das Wissen über Afrikaner in den KZs zu erweitern, sei in Afrika ebenso wie in Österreich hoch an der Zeit. (Irene Brickner, 7.4.2017)