Wien – Bezirksinspektor E. ist 44 Jahre alt, Kriminalbeamter in Wien und möglicherweise ein ziemlicher Bad Cop. Zumindest wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, er habe die Stadt Wien betrogen – indem er monatelang keine Parkgebühren zahlte und stattdessen den Behindertenausweis seines Vaters ins Auto legte.

E. bekennt sich nicht schuldig. Zwölfmal innerhalb eines halben Jahres wurde der BMW des Angeklagten fotografiert – ohne Parkschein, aber mit Behindertenausweis hinter der Windschutzscheibe. Interessanterweise auch mehrmals in der Nähe von E.s Arbeitsstelle.

"Der Ausweis gehört meinem Vater", gibt der Angeklagte zu. "Wenn er mich in Wien besucht, stellt er sein Auto bei der SCS auf den Parkplatz und ich hole ihn ab. Da nimmt er dann den Ausweis aus seinem Auto mit." In allen angeklagten Fällen habe er aber seinen Erzeuger chauffiert, oder der sei selbst unterwegs gewesen.

Freiwillig hohe Strafe gezahlt

Richterin Nina Steindl fällt etwas Seltsames auf. "Sie haben bei der Stadt aber die ganzen Strafen, über 1.000 Euro, gezahlt – und gesagt, dass Ihr Vater nicht dabei gewesen sei", hält sie dem Polizisten vor. Er habe den Verwandten vor der Aufregung schützen wollen. Außerdem sei es verwaltungsrechtlich ohnehin illegal gewesen, da der Ausweis an eine bestimmte Autonummer gebunden gewesen sei.

Dubios ist, dass der Angeklagte eigentlich für den Transport des Vaters eine Ausnahmebewilligung, um die Parkgebühren pauschal entrichten zu können, im März 2016 beantragt hat. Bezahlt und damit gültig gemacht hat er sie allerdings erst im November, nachdem die nun inkriminierten Vorfälle schon bekannt geworden sind.

"Aber Sie haben den Ausweis also immer nur gehabt, wenn Ihr Vater da gewesen ist?", fragt die Richterin nochmals nach. "Und was haben Sie sonst gemacht?" – "Ich habe Parkscheine gekauft oder die Strafe gezahlt", lautet die etwas überraschende Antwort. Warum sein Wagen so oft stundenlang nahe seiner Dienststelle geparkt worden ist, erklärt E. mit einem Zufall. Sein Vater habe in der Nähe eine Bekannte. Deren Namen will er aber nicht verraten.

Mysteriöse Anzeige

Mysteriös ist ein weiteres Detail. Ins Rollen gekommen ist die Affäre, nachdem eine Frau eine Beschwerde-Mail an die Polizei geschickt hat. Nur: Weder die Mail-Adresse gibt es, noch ist eine Person diesen Namens in der Nähe der Dienststelle gemeldet.

Für den Angeklagten und Verteidiger Werner Tomanek Grund genug, an eine Intrige zu glauben. Der Hintergrund sei, dass ein Kollege ihn schon vor zehn Jahren einmal angezeigt habe. Damals wurde ihm vorgeworfen, einen gefälschten Behindertenausweis verwendet zu haben, das Verfahren wurde aber eingestellt.

"Der hat es nur auf mich abgesehen!", braust E. auf. Es gebe sogar den Chatverlauf zwischen dem Kollegen und einem "Parksheriff", in dem dieser aufgefordert wird, ein Strafmandat auszustellen.

Experte für gefälschte Ausweise

Allerdings: Alleiniges Ziel des anderen Polizisten ist der Angeklagte sicher nicht. Das lässt sich sogar auf der Homepage des Innenministeriums nachlesen. Schon Monate vor den nun angeklagten Vorfällen findet sich ein Artikel über den Kontrahenten. Der gilt offenbar als Experte für gefälschte Behindertenausweise – zwischen 2012 und 2015 hat er rund 500 als illegal erkannt. Daher schicken ihm Parksheriffs auch Nachrichten samt Bildern zur Prüfung.

Nach der eigenartigen Mail-Anzeige seien jedenfalls polizeiinterne Ermittler aktiv geworden – offenbar im Auftrag jener Dienststelle, die E.s Kontrahent leitet. Nur: Diese Beamten haben zwar immer das abgestellte Fahrzeug fotografiert, wer es benutzt hat, konnten sie nie feststellen. "Wir haben auch andere Sachen zu tun und können nicht stundenlang ein Fahrzeug observieren", entschuldigen sie sich bei Steindl.

Die schließlich vertagt, um weitere Zeugen zu hören. Und einen Experten der Stadt beizuziehen, der ihr die legistischen Feinheiten der Wiener Parkraumbewirtschaftung erklären soll. (Michael Möseneder, 11.4.2017)