Wien – Sonntagmorgen, 6 Uhr, junge Männer vor der Disco: Die Erfahrung lehrt, dass diese Mischung Polizeieinsätze nicht unbedingt einfacher macht. Darko T. soll es am 26. Februar in der Nordwestbahnstraße in Wien-Brigittenau aber definitiv übertrieben haben. Der 21-Jährige muss sich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung vor Richter Marc Farkas verantworten, da er einem Beamten aus vollem Lauf mit gestreckten Beinen in den Rücken gesprungen sein soll.

Wäre absolut verwerflich, wenn der Unbescholtene das gemacht hätte. Nur: Im Laufe des Verfahrens stellt sich heraus, dass die Aussagen der beteiligten Polizisten so wohl nicht stimmen können. Verteidiger Arthur Machac kann auch ein Handyvideo vorlegen, um das zu untermauern.

Betrunkenen zum Taxi gebracht

In welchem Zustand die zivilen Beteiligten am fraglichen Morgen gewesen sind, lässt sich aus einem Versprecher des Angeklagten erahnen. "Wir waren in der Disco, dann sind wir hinaus. Wir wollten einen Freund ins Taxi legen – geben", verbessert T. sich.

Danach stand die Gruppe offenbar noch auf der Straße, als ein Streifenwagen vorbeifuhr und Polizisten sie ermahnten, die Fahrbahn zu verlassen. "Mein Cousin ist noch am Rand gestanden, dann sind sie hergekommen und wollten seinen Ausweis sehen."

Den hatte der Cousin aber nicht dabei. Aus nicht ganz nachvollziehbarem Grund wurde der Cousin plötzlich zu Boden gerissen und festgenommen. Die Beamten sagen als Zeugen, er habe nicht kooperiert und sei aggressiv gewesen, geben aber auch zu, dass er sich lediglich "der Festnahme passiv widersetzt hat". Soll heißen: Er ließ sich – auf dem Bauch liegend – nicht sofort die Arme auf den Rücken biegen, um sich Handschellen anlegen zu lassen.

Schutzschild für den Cousin

"Die haben ihn geschlagen!", sagt der Angeklagte zu Farkas. "Ich wollte mich wie ein Schutzschild über ihn legen", erklärt er, warum er zu seinem Verwandten gelaufen ist. Er habe sich noch über ihn gebeugt, dann habe ihn eine Polizistin weggestoßen, und er sei gegen einen anderen Beamten geprallt.

"Bei der Polizei haben Sie aber noch ein Protokoll unterschrieben. Und da haben Sie gesagt: 'Ich bin in meinem Suff einen Polizisten angesprungen'", hält ihm der Richter vor. "Ich war unter Druck und hatte Angst. Die Beamten dort haben gesagt, wenn ich alles zugebe, kann ich in 20 Minuten gehen. Ich war ja zum ersten Mal bei der Polizei", lautet die Begründung.

Er und sein Cousin suchten die Dienststelle bald darauf neuerlich, diesmal freiwillig, auf. "Warum?", interessiert Farkas. "Wir haben in der Zeitung gelesen, dass der Polizist schwer verletzt worden ist. Da wollten wir uns erkundigen, wie es ihm geht." Allzu schwer verletzt wurde der Beamte übrigens nicht, er konnte seinen Dienst fortsetzen und schilderte dem Amtsarzt nur eine Prellung im Rückenbereich.

Schlagstock eingesetzt

Inspektor J., 27 Jahre alt, demonstriert dann, dass sich gesprochenes Amtsdeutsch äußerst seltsam anhört. "Das Funkmittel Theodor 4 führte die Amtshandlung", erzählt er beispielsweise. Und dass er bei der Festnahme des Cousins "mit dem ES (Einsatzstock, Anm.) einen kurzen Schmerzimpuls am rechten Oberarm gesetzt" habe. In Alltagssprache übersetzt: Er hat den Schlagstock eingesetzt, damit der Festgenommene die Hand auf den Rücken gibt.

Als er amtshandelte, sei der Angeklagte plötzlich hergerannt und ihm aus vollem Lauf in den Rücken gesprungen. Der Richter ist etwas misstrauisch. "Haben Sie das selbst gesehen? Sie waren ja mit dem Rücken zu ihm?" – "Aus dem Augenwinkel", lautet zunächst die Antwort. Außerdem hätten es ihm die Kollegen später erzählt. "Aber selbst haben Sie es nicht gesehen? Woher wissen Sie dann überhaupt, dass es ein Sprung gewesen ist?" – "Aus die Schmerzen, die was ich im Rücken verspürt habe", wechselt der Zeuge in Umgangssprache.

Keine Spur von einem Sprung

Verteidiger Machac führt ihm dann das Video vor. Auf dem sind mehrere interessante Details zu erkennen: Während der Zeuge den Schlagstock benutzt, reißt sein Kollege dem Festgenommenen den Kopf hoch und fährt ihm mit den Fingern in Auge und Mund. Daraufhin läuft der Angeklagte los – von einem Sprung ist allerdings nichts zu sehen.

Der Polizist bleibt dennoch dabei. "Er ist mir in den Rücken gesprungen." Er habe das Video zwar vorher nicht gesehen, wisse aber, dass es existiert. "Das ist doch eh beim Akt dabei?", vermutet der Zeuge. "In meinem Akt nicht", weist der Richter darauf hin, dass sich die Beamten offensichtlich nicht die Mühe gemacht haben, das Beweismittel zu bekommen, nachdem es ins Internet gelangt ist.

Wegen fehlender Zeugen wird auf 24. April vertagt. (Michael Möseneder, 3.4.2017)