Die Zahl der Radler nimmt in Graz stetig ab. Es fehle an einem Gesamtkonzept für den Radverkehr, kritisiert die Radlobby.

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Graz – Die Grazer Radlobby blickt neidvoll nach Wien. "Man hat den Eindruck, dass in der Bundeshauptstadt in der Radpolitik wirklich etwas weitergeht, dass es da ein politisches Engagement und Visionen gibt – anders als in Graz", bedauert Wolfgang Wehap, Vorstandsmitglied der Radlerlobbyorganisation Argus Steiermark.

Die Defizite der Grazer Verkehrspolitik in Sachen Radverkehr lassen sich klar bemessen: Die Anzahl der Radfahrer am Gesamtverkehr ist in den letzten Jahren deutlich von 16,1 auf 14, 5 Prozent gesunken. Die von den vier automatischen Zählstellen in Graz für 2016 dokumentierten Daten weisen zudem übers Jahr an Werktagen einen Rückgang von sechs bis 15 Prozent weniger Radlerinnen und Radler aus.

Urbane Bikeszene

Diese negative Entwicklung steht irgendwie im Gegensatz zu einem Aufblühen einer neuen Radkultur. Rundum in der Stadt kreieren neue Radfahrcafés und Spezialshops eine bunte urbane Bikeszene. Kulturell wird gewissermaßen an die "Goldene Radzeit" angeknüpft. Immerhin hatte sich Graz in den späten 1980er-Jahren als Österreichs "Radlerhauptstadt" etabliert. Der schon legendäre, früh verstorbene ÖVP-Vizebürgermeister Erich Edegger hatte die Verkehrspolitik damals für die Radler geöffnet. Er war täglich selbst mit dem Rad unterwegs, kannte jeden Winkel der Stadt und versuchte Graz fahrradtauglich umzugestalten.

Sein Tod unterbrach die Aufbruchstimmung. Danach wurde das Edeggererbe verwaltet, das Augenmerk aber bald wieder stärker auf den Autoverkehr gelenkt. Graz wurde mit Magna zur "Autostadt", ein "Autocluster" entstand. "Motoreninnovation war angesagt, die Autolobby übernahm irgendwie wieder das Steuer, und die sanfte Mobilität wurde an den Rand gedrängt", sagt Wehap.

"Kein Gesamtkonzept"

Es wurden in den folgenden Jahren wieder vereinzelt Radwege angelegt "und Lückenschlüsse erledigt, aber ein Gesamtkonzept, das den Radverkehr dramatisch verbessern würde, ist nicht zu sehen", sagt Wehap. Obwohl Graz "extrem ideal" für den Radverkehr wäre und der jetzige Radleranteil relativ problemlos auf über 20 Prozent gehoben werden könnte.

In den letzten Jahren seien zwar einzelne alte Projekte abgearbeitet worden, "zurzeit gibt's aber keine neuen in der Pipeline, die zum Beispiel die Peripherie, die neuen Wohngebiete und entstehenden Stadtviertel an den innerstädtischen Bereich anbinden würden", sagt Wehap.

Woran es in Graz hapert, ist bei einer kleinen Rundfahrt in der Innenstadt permanent spür- und sehbar. Die oft holprigen Radwege in der City sind uralt, die Markierungen nur noch schemenhaft erkennbar, in Hauptdurchzugsstraßen wie der Elisabethstraße sind Radler gezwungen, den Gehsteig zu benutzen. Tiefe Schlaglöcher und zusammengeschobener Asphalt machen das Fahren auf dieser Straße zur Lebensgefahr.

Falle für ungeübte Radler

Zudem sind kilometerlange Radwege parallel zu den Tramgleisen angelegt. Eine höchst gefährliche Falle für ungeübte Radler. "Dabei gibt es für Gleisanlagen schon gute Lösungsansätze mit elastischem Füllmaterial", sagt Wehap. "Selbst diese Missstände seien all die Jahre nicht entschärft worden." Eine "ärgerliche Baustelle" seien zudem die Fahrradstellplätze. "Aber hier ist, wie auch bei Leihrädern, Recycling von Alträdern und sicheren Abstellanlagen in der City wenig Innovatives passiert", kritisiert der Radexperte.

"Was in Graz seit Jahren wirklich fehlt, ist eine Galionsfigur wie Edegger, die verkehrspolitisch wieder klare Konzepte liefert und ein politisches Klima schafft – wie jetzt in Wien -, dass Radfahren erwünscht ist", sagt Wehap.

Man dürfe letztlich auch nicht auf den gesamtgesellschaftlichen Nutzen des Radverkehrs vergessen: Werden Wege mit dem Rad zurückgelegt, brächte das für Graz 80 bis 90 Millionen Euro im Jahr. (Walter Müller, 1.4.2017)