Geschlägerte Bäume säumen die Mur in Graz. Das hier entstehende Kraftwerk wird ohne Beteiligung der Wien Energie, die das Projekt monatelang prüfte, gebaut.

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Graz/Wien – In Wien nimmt man die Entscheidung der Wien Energie öffentlich kaum wahr. In Graz aber, wo nächste Woche Dienstag eine neue von einer schwarz-blauen Koalition angeführte Stadtregierung im Rathaus angelobt wird, schlug die Nachricht ordentlich Wellen: Die Wien Energie wird sich definitiv nicht am umstrittenen Grazer Murkraftwerk beteiligen.

Wegen des von der Energie Steiermark errichteten Kraftwerksbaus wurden seit Februar tausende Bäume im Grazer Stadtraum geschlägert, der Fluss soll künftig über dreieinhalb Kilometer gestaut werden und das Stadtbild, Fauna und Flora nachhaltig verändern. Zum Schlechten sagen Botaniker, Zoologen und Umweltschützer. Zum Guten, sagen Befürworter wie ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl, der wegen des Kraftwerks, das Grüne und KPÖ ablehnten, vorgezogene Wahlen ausrief. Der 80 Millionen teure Bau ist weiter das beherrschende Thema der Stadt. Auch nach der Wahl, in der die zweitplatzierte KPÖ noch an Stimmen zulegen konnte, allerdings nicht so deutlich wie Nagl.

Grüne für Baustopp und Finanzgipfel

Die Grazer Grünen forderten am Freitag den sofortigen Baustopp, eine Nachdenkpause und einen Finanzgipfel, da die Wien Energie beweise, "dass die Mur-Staustufe Graz nicht rentabel ist". Die KPÖ warnte: "Die Belastungen des städtischen Budgets durch diesen finanziellen Hochseilakt werden spürbar sein."

Ganz anders begründet die Energie Steiermark die Situation. In einem Statement von Konzernsprecher Urs Harnik heißt es, man konnte dem "artikulierten Wunsch der Wien Energie nach einer Beteiligung im Ausmaß von 50 Prozent leider nicht mehr entsprechen". Der Einstieg von Verbund und Energie Graz sei mit je 12,4 Prozent fixiert. "Die Tür für den Einstieg eines weiteren Partners mit einem Prozent anteil von bis zu 24 Prozent ist grundsätzlich offen, wir haben angesichts der attraktiven Rentabilität jedoch keine zwingende Erfordernis", so Harnik weiter. Die Rendite für die Energie Steiermark liege deutlich über fünf Prozent.

"Normales Prozedere"

Dass man bei der Wien Energie 50 Prozent wollte, bestätigt Konzernsprecher Boris Kaspar auf STANDARD-Nachfrage nicht. Es sei ein ganz normales Prozedere gelaufen: "Wir prüfen viele Projekte, bei fünf von zehn entscheiden wir uns dagegen." Mit der Stimmung in Graz müssten sich die Steirer herumschlagen. "Wir sehen das wirtschaftlich ganz nüchtern, es gab nicht genug Synergien des Projektes mit unserem operativen Geschäft", so Kaspar. (Colette M. Schmidt, 31.3.2017)