München – Die Erde bildet das Zentrum des Universums, um das sich Sonne und Planeten drehen: Über Jahrhunderte prägte diese Überzeugung die Astronomie. Zwei Forscher, die mit diesem Irrtum aufräumten, waren Nikolaus Kopernikus und Johannes Kepler. Neueditionen ihrer Werke zeugen von der Hartnäckigkeit, mit der die Forscher ihre Beobachtungen verfolgten.

Im 16. und 17. Jahrhundert machten die Wissenschafter bahnbrechende Entdeckungen und erschlossen der Menschheit ein grundlegend neues Weltbild: Die Erde ist nicht der Mittelpunkt des Weltalls, stattdessen kreist sie – ebenso wie die anderen Planeten – um die Sonne.

Historisch-kritische Gesamtausgaben

Mit einem Festkolloquium feierte das Deutsche Museum in München nun den weitgehenden Abschluss der historisch-kritischen Gesamtausgaben der Werke dieser beiden Forscher. Jahrzehntelang haben Experten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und des Deutschen Museums in München an der Kepler-Edition und dem Kopernikus-Gesamtwerk gearbeitet. Das Ergebnis sind nach Abschluss des Projekts 37 Bände – 26 von Kepler, 11 von Kopernikus.

Im 16. Jahrhundert widersprach Kopernikus – geboren 1473 in Thorn (Torun) – dem damaligen Weltbild. Die zentrale These aus seinem Hauptwerk "De revolutionibus orbium coelestium" ("Über die Umschwünge der himmlischen Kreise"): Die Erde ist nicht das Zentrum des Planetensystems. Sie dreht sich um sich selbst und um die Sonne. Das sei im Publikationsjahr 1543 "eine Umwälzung von allem gewesen, was man bisher geglaubt hatte", sagt Andreas Kühne, einer der Herausgeber der Kopernikus-Gesamtausgabe.

Indizierte Wissenschaft

Kopernikus zögerte, seine Berechnungen zu veröffentlichen. Er ahnte wohl, dass sein Werk in Konflikt mit der Kirche geraten würde. Jahrzehnte später stützten die Beobachtungen von Galileo Galilei Kopernikus' Thesen. Dennoch nannte Martin Luther Kopernikus einen "Narren". Der Vatikan setzte sein Hauptwerk auf den Index.

Die Kirche wollte eine Sichtweise, in der die Erde nicht das Zentrum des Universums war, nicht akzeptieren. Das bekam auch Johannes Kepler – geboren 1571 in Weil der Stadt bei Stuttgart – zu spüren. Anfang des 17. Jahrhunderts entwickelte er die Berechnungen von Kopernikus weiter. Alle Planeten bewegen sich in elliptischen Bahnen nach festen Gesetzmäßigkeiten um die Sonne, schrieb er 1604 in seiner "Astronomia Nova" ("Neue Astronomie").

Auch Keplers Werke kamen auf den Index, sagt Thomas Posch, Astronom und Kepler-Experte an der Universität Wien. Posch hat vor kurzem mit dem Buch "Johannes Kepler – Die Entdeckung der Weltharmonie" ein Porträt des Forschers veröffentlicht, in dem er sich auch dessen weniger bekannten Spuren als Naturphilosoph, Mathematiker und Theologe gewidmet hat.

Vorbild Kepler

Nicht nur vonseiten der Kirche gerieten Kepler und seine Angehörigen unter Beschuss. In einem Roman über Mondreisen beschreibt der Astronom seine Mutter als "Zauberin". Ein Landgericht klagte sie daraufhin als Hexe an. Sie wurde freigelassen – allerdings erst nach monatelanger Haft.

Kepler war auch in der Mathematik ein Vorreiter. Heute gebräuchliche Rechengesetze wie der Logarithmus gehen auf ihn zurück, so Posch. Er sieht in Kepler ein Vorbild, das Leser bis heute mitreißen kann – wegen seiner Begeisterungsfähigkeit, aber auch seines Durchhaltevermögens und Engagements. Kepler und sein Vorgänger Kopernikus erinnern daran, scheinbare Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. "Wir haben in der Wissenschaftsgeschichte zu viele Fehler tradiert", sagt Kühne. "Sie müssen immer wieder neu berichtigt werden." (APA, 3.4.2017)