US-Präsident Donald Trump ist auch in Sachen Social Media ein Phänomen, das es so noch nicht gab. Die ungefilterte Kommunikation per Twitter lässt Journalisten links liegen.

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Problematisch sei, dass er als US-Präsident nicht von einem offiziellen, sondern einem Privataccount twittere, so Medienforscherin Uta Rußmann.

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STANDARD: Die USA haben mit Donald Trump nun einen Präsidenten, der die Öffentlichkeit hauptsächlich per Twitter anspricht. Wie hat sich die Debatte dadurch verändert?

Rußmann: Donald Trump verwendet einen Privataccount, den er schon vor dem Wahlkampf verwendet hat – also nicht den offiziellen Account des US-Präsidenten. Wie viele Populisten verwendet er das Medium für persuasive, also "überredende" Kommunikation. Er will die Dinge zu seinem Vorteil beeinflussen – egal, ob das zur Institution des US-Präsidentenamts, das er verkörpern soll, passt. Seine Twitter-Nachrichten zeigen auch deshalb eine große Wirkung, weil er andere Kommunikationsformen wie Pressekonferenzen und Journalistengespräche vielfach verweigert hat. Auf Twitter kann er ohne Einschränkungen alles hinausposaunen.

STANDARD: Was bedeutet das für die klassischen Medien?

Rußmann: Einerseits werden sie gezwungen mitzuspielen. Ohne die klassischen Formate haben Journalisten oft keine andere Wahl, als die Informationen von Twitter zu verwenden. Andererseits drängt Trump durch seine Unkorrektheit die Medien auch stärker in ihre Funktion als vierte Gewalt im Staat. Sie haben nun ein Gegenüber, das die Rolle als Kontrollinstanz tatsächlich im starken Ausmaß verlangt.

STANDARD: Auch in Österreich war die populistische FPÖ Vorreiter in der Social-Media-Nutzung. Gibt es Gemeinsamkeiten mit Trump?

Rußmann: In Österreich ist Facebook mit 3,7 Millionen Nutzern das mit Abstand wichtigste soziale Medium. Die FPÖ hat eine Vorreiterrolle, die sowohl auf der Intensität der Nutzung gründet als auch auf der Rolle, die das Medium für die Partei hat. Der Stellenwert kommt daher, dass Parteichef Heinz-Christian Strache lange vor anderen Parteien sehr aktiv war. Teilweise gibt es Parallelen zu Trump: Obwohl es ein Parteiaccount ist, geht es weitgehend nur um die Person Strache. Und auch die FPÖ bedient sich jener "Überredungsstrategie", die für eine populistische Kommunikation typisch ist. Die Meldungen sind sehr textlastig und beinhalten viele Zeitungsartikel, sowohl aus Boulevard- als auch aus Qualitätsmedien. Strache stellt sie gezielt in seine eigenen Kontexte und benutzt sie als Bestätigung für seine Ansichten und Aussagen.

STANDARD: Welche anderen Aspekte prägen die FPÖ-Strategie?

Rußmann: Strache gibt viele vermeintliche Einblicke in sein Privatleben: Fotos von seiner Hochzeit, vom Skifahren, sonntags mit Hund Odi. Er will vermitteln: Strache ist wie du und ich. Auch bei Norbert Hofers Präsidentschaftswahlkampf gab es weitaus mehr private Szenen als bei anderen Kandidaten. Bei Kanzler Christian Kern ist das weniger der Fall, dort setzt man aber viel mehr auf Schauwerte.

STANDARD: Christian Kern fällt mit seiner Instagram-Inszenierung auf. Wie beurteilen Sie die Social-Media-Strategie des Kanzlers?

Rußmann: Grundsätzlich sehen wir einen Trend zu mehr Fotos und Videos in Social Media. Das wird auch von den Plattformen durch bessere Rankings gestärkt. Für die Politik ist dieser Trend gut, weil Visualisierungen Emotionen sehr gut transportieren und die Identifikation stärken. Kern setzt auf imagebildende Hochglanzfotos. Er beschäftigt ein Team von Fotografen, zumindest einer davon ist immer dabei. Es geht um eine möglichst perfekte Inszenierung der Person Christian Kern. Was dabei zum Teil verlorengeht, ist das Unmittelbare, das Authentische. Das ist auch ein Unterschied zu Strache, dessen Inszenierung eher auf spontan wirkende Bilder aus dem Privatleben setzt. Kern konnte mit seiner Strategie aber sehr schnell eine große Community aufbauen.

STANDARD: Entsprechen diese Politinszenierungen internationalen Trends?

Rußmann: Kerns Team fährt eine zum Teil ähnliche Strategie wie der frühere US-Präsident Barack Obama. Auch bei ihm stand die perfekte bildliche Inszenierung im Vordergrund. Social Media werden hier für eine Strategie verwendet, bei der das Branding eines Politikers, also der Aufbau einer unverwechselbaren Marke, im Vordergrund steht. Bei populistischen Politikern geht es dagegen tendenziell darum, Authentizität zu inszenieren. Man orientiert sich beim Social-Media-Gebrauch an der individuellen und persönlichen Kommunikation eines Normalnutzers. Obwohl es spon- tan aussieht, ist es wohlüberlegt. Social Media sind mittlerweile in die Kommunikationsstrategien der Parteien vollständig eingebunden. Politiker schaffen es auch immer besser, ihre Klientel über diese Kanäle zu mobilisieren.

STANDARD: Wie äußert sich das?

Rußmann: Da geht es nicht nur um Veranstaltungen, sondern auch ums Geld: Im Präsidentschaftswahlkampf wurden die Social-Media-Auftritte von allen Kandidaten dazu verwendet, Spenden einzuwerben. Wir kennen dies aus dem US-Wahlkampf von Trump und Hillary Clinton. Das gab es bisher in diesem Ausmaß in Österreich nicht.

STANDARD: Authentizität oder Markenbildung – kann man herausfinden, welche Social-Media-Strategie bei den Bürgern besser ankommt?

Rußmann: Wir planen eine Studie, bei der wir das untersuchen. Die Frage ist, ob die Hochglanzinszierung à la Kern nicht dem Wunsch nach Authentizität zuwiderläuft. Wir werden Eyetracking- und Gesichtsfeldanalyse verwenden, bei der den Blicken der Probanden am Bildschirm gefolgt und Veränderungen des Gesichtsausdrucks erkannt werden. Die Bilder sollen mit emotionalen Regungen in Verbindung gebracht werden. So wollen wir Schlüsse ziehen, wie die Politiker wahrgenommen werden.

STANDARD: Sie betonen das Phänomen der Vermischung privater und öffentlicher Accounts. Was ist problematisch daran?

Rußmann: Donald Trump hat viel mehr Follower auf seinem privaten Account als am öffentlichen Präsidentenaccount. Außenminister Sebastian Kurz hat eine große Community auf seinem privaten Facebook-Zugang, auf den auch von der Außenministeriumsseite verlinkt wird. Beim ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz war es ähnlich. Offizielle Kommunikation läuft offenbar in vielen Fällen über private Accounts. Regierungskommunikation und staatliche Öffentlichkeitsarbeit sind aber steuerfinanziert. Die privaten Accounts sind nicht transferierbar. Bei einem Ministerwechsel müssen sie neu aufgebaut werden. Die frühere Kommunikation ist nicht mehr einsehbar. Das ist nicht transparent. Der korrekte Weg wäre, dass es einen offiziellen Ministeriumsaccount gibt, dieser auch benutzt und an den Nachfolger weitergegeben wird.

STANDARD: Social Media haben eine bisher nicht gekannte Vielstimmigkeit ermöglicht. Eignen sich die Kanäle nun als Mittel einer direkteren Demokratie?

Rußmann: Social Media bergen durchaus neue Spielräume für demokratischen Austausch zwischen Bürgern und Repräsentanten. Man hat hier eher das Gefühl, einander auf Augenhöhe zu begegnen. Die Möglichkeit, gehört zu werden, ist gegeben. Die Frage ist, ob das Potenzial tatsächlich genutzt wird. Wenn man sich ansieht, was gepostet wird, geht es dabei selten um demokratischen Austausch über Sachpolitik. Es bleibt bei Zurufen. Man zeigt, wie toll man einen Politiker findet, oder lädt Frust ab. Das führt zu sogenannten Echo-Chambers, Situationen, die eigene Meinungen verstärken. Aber auch Politiker nutzen die Möglichkeit kaum, tatsächlich mitzudiskutieren. Die Plattforminhaber beteiligen sich nicht sehr häufig am Diskurs. Die Grünen sind hier noch am stärksten, insgesamt passiert es aber sehr selten. (Alois Pumhösel, 31.3.2017)