So hoch wie der Eiffelturm sind wohl auch die Erwartungen jener Reisender, die das Paris-Syndrom erwischt.

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Paris: die Stadt der Verliebten und der romantischen Spaziergänge. Im Hintergrund der beleuchtete Eiffelturm und der sanfte Klang eines französischen Chansons. So sieht zumindest das Bild aus, das von Film- und Werbeindustrie über Jahrzehnte geprägt wurde und sich in den Köpfen so mancher erwartungsvoller Paris-Reisender festgesetzt hat.

Passen die Vorstellungen vom Reiseziel jedoch nicht mit der Realität zusammen, kann das zu einem gewaltigen Kulturschock führen. Im Falle von Paris ist der Effekt laut "The Atlantic" sogar so dramatisch, dass dafür ein eigener Begriff notwendig wurde: das Paris-Syndrom.

Je nach Bericht sind pro Jahr zwischen zehn und 20 Touristen vom Paris-Syndrom betroffen. Die geschilderten Symptome decken eine ganze Bandbreite an psychischen Schockzuständen ab, unter anderem: Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Schwindel und Schweißausbrüche bis hin zu Verfolgungswahn. Um eine anerkannte Diagnose handelt es sich allerdings nicht.

Touristenfallen statt Romantik pur

Japanische Touristen sind angeblich besonders gefährdet. Schuld daran ist zum einen sicher auch hier die Medienindustrie, deren überzeichnetes Bild von Paris in Japan besonders weit verbreitet ist. Andererseits könnte es auch daran liegen, dass speziell die japanische Kultur von starker Höflichkeit geprägt ist, die man in der französischen Hauptstadt oft vergeblich sucht.

Zwar ist Paris durchaus ein spannendes Reiseziel, aber die Realität zeichnet ein anderes Bild als die Kulissen der unzähligen Liebesfilme. Schmutzige Straßen, überteuerte Crêpes und andere Touristenfallen bleiben einem als Besucher vermutlich nicht erspart. Ob sich das Vorurteil, dass man ohne Französischkenntnisse mit einer ganz besonderen Unfreundlichkeit konfrontiert ist, bestätigt oder nicht: Vor der einen oder anderen Sprachbarriere steht man schnell.

Bekannte Schattenseiten

Nichts, was man in einer anderen Stadt nicht auch erleben würde. Die Schattenseiten anderer Städte sind jedoch oft weitgehend bekannter. Während man zum Beispiel bei einer Reise nach Venedig auf die Taubenplage gefasst ist und für den Urlaub in Peking wegen des Smogs vielleicht sogar vorsorglich die Schutzmaske in den Koffer wirft, greift so mancher Paris-Reisender wohl nur zur Kamera, um die Postkartenidylle perfekt einzufangen.

Da kann es schon passieren, dass man, in Paris angekommen, bei Abwesenheit von Romantik und französischem Chanson nahe am Nervenzusammenbruch steht. So real die Symptome auch sein mögen, auf die Liste der First-World-Probleme gehört das Paris-Syndrom wohl trotzdem. (red, 2.4.2017)