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Rohes oder verarbeitetes Getreide gehört zwar zu den Lieblingsmahlzeiten der Hausmaus. Die kleinen Nager freundeten sich aber bereits vor der Erfindung der Landwirtschaft mit dem Menschen an.

EPA/Everett Kennedy Brown

Haifa/Wien – Fast überall, wo Menschen wohnen, gibt es heute auch Hausmäuse, genauer: die Westliche Hausmaus (Mus musculus domesticus). Als blinde Passagiere auf Schiffen wurden die kleinen Nager weltweit verbreitet und zur mehr oder weniger großen Plage. Von der domestizierten Form der Hausmaus, der sogenannten Farbmaus, profitiert immerhin auch die Forschung: Die kleinen Nager sind einer der wichtigsten Modellorganismen in der biomedizinischen Forschung.

Seit wann aber gehört die Hausmaus zur treuen, wenn auch ungeliebten Begleiterin des Menschen? Bisher ging die Forschung davon aus, dass die "Erfindung" der Landwirtschaft vor rund 12.000 Jahren am Ende der letzten großen Eiszeit die entscheidende Rolle gespielt habe: Der Mensch baute im Nahen Osten erstmals systematisch Getreide an, und das führte letztlich dazu, dass die Mäuse "häuslich" wurden.

Wende durch erste Bauern?

Doch war die Bauernwerdung des Menschen tatsächlich der entscheidende Wendepunkt in der Wechselbeziehung zur Umwelt? Oder hat der Mensch schon davor in die Natur eingegriffen und auch schon Tiere an sich gewöhnt, wie die frühere Domestizierung des Hundes nahelegt?

Ein internationales Forscherteam um Lior Weissbrod (Uni Haifa) wollte es genauer wissen und näherte sich der Frage auf zwei verschiedene Weisen an: Zum Ersten untersuchte die interdisziplinäre Gruppe 10.200 bis 200.000 Jahre alten Mäusebackenzähne, die an fünf Orten in Israel gefunden wurden, um so zu ermitteln, wann sich die westliche Hausmaus durchsetzte.

Die fünf Fundorte der alten Mäusezähne im heutigen Israel.
Foto: Lior Weissbrod, basierend auf Daten des Environmental Systems Research Institute (ESRI)

Verdrängung der Makedonischen Maus

Die Funde machten klar, dass es bereits vor 15.000 Jahren, also lange vor der Einführung der Landwirtschaft, zu einer Verdrängung der "wilderen" Makedonischen Hausmaus (Mus macedonicus) durch die Westliche Hausmaus kam, die einen längeren Schwanz besitzt, einen kürzeren Schädel, und eben auch etwas andere Backenzähne.

Die Forscher gehen in ihrer Studie im Fachblatt "PNAS" davon aus, dass die allmähliche Sesshaft-Werdung der Jäger und Sammler der entscheidende Faktor war: Die Menschen begannen, Essensvorräte (wie etwa wildes Getreide) anzulegen, was die Nager vermutlich anlockte. Außerdem warfen die Menschen Nahrungsreste weg.

Halbnomaden in Kenia

Im zweiten Teil ihrer Untersuchung verglichen sie ihre archäologischen Ergebnisse mit den Mäusevorkommen in sechs Siedlungen im heutigen Kenia, die von halbnomadischen Massai bewohnt werden. Auch dort gibt es zwei verschiedene Mäusespezies mit ganz ähnlichen Mustern der Populationsveränderung.

Ein Massai mit dem Studienobjekt.
Foto: Lior Weissbrod.

Weissbrod und seine Kollegen leiten aus ihren Ergebnissen zwei starke Schlussfolgerungen ab. Zum einen liefere ihre Studie einen "starken Hinweis" darauf, dass Menschen Bauern wurden, weil sie sesshaft waren – und nicht umgekehrt. Zum anderen vermuten sie, dass die ersten "häuslichen" Hausmäuse noch nicht als Schädlinge wahrgenommen wurden: Erst mit der Landwirtschaft wurde die Maus zur Plage und zum Nahrungskonkurrenten. (tasch, 27.3.2017)