Philosophieren am Schwarzenbergplatz, gepflegt mit Fliege zu Clubmusik: Daniel Jesch, Michael Masual, Hermann Scheidleder, Merlin Sandmeyer und Martin Schwab (v. li.).

Foto: Georg Soulek

Wien – Es macht Sokrates aus, dass von ihm nichts selbst niedergeschrieben wurde. Sein Schüler Platon hat die Arbeit gemacht. Als gerechten Dank trägt der zweistündige Abend im Kasino am Schwarzenbergplatz auch dessen Namen: Platons Party. Zentrum des Beitrags zum laufenden Antike-Schwerpunkt des Burgtheaters aber ist der Lehrer.

Wie um dessen Existenz in absentia zu illustrieren, hat Claudia Vallant ein Loch auf die Bühne gestellt. Ein schroffes Nichts mit etwas Wand drum herum.

Versuchen, zu erkennen

Es lässt sich auch als Anspielung auf die wohl berühmteste Passage lesen, die von Sokrates durch Platon überliefert ist: das Höhlengleichnis. Um jenes geht es im Folgenden zwar nicht. Aber der Versuch, zu erkennen, ist der Motor der Dialoge, die geboten werden: Symposion (Das Gastmahl) und Phaidon.

Der Abend startet mit Clubmusik, die Wand mit dem Loch dient als Projektionsfläche für Augen, Münder, Körper. Denn Symposion handelt vom Eros, dem Gott der begierigen Liebe. Ein Wasserspender am Bühnenrand gibt seine milden Gaben an die Herrenrunde weiter und sorgt so dafür, dass die Zungenschläge und Gedanken beschwingt, aber klar bleiben. Nicht um des Rausches willen, sondern "nur" der Lust wegen werde heute nämlich getrunken, lässt Agathon wissen.

Jenen gibt Merlin Sandmeyer als geschmeidigen Geck, der bald im knöchellangen Pelz seine gefeilten, aber unerfahrenen Reden schwingt und als Jüngster noch seine Lektionen lernen muss. Von Sokrates ebenso wie vom Komödiendichter Aristophanes. Als der berichtet mit der heiteren Grandezza des Alters Hermann Scheidleder die Legende von den Kugelmenschen und deren Spaltung. Heftig verrenken und umschlingen sich Sandmeyer und Daniel Jesch zur Anschauung.

Man philosophiert mit Eifer über die Harmonie aus Gegensätzen und den späten Triumph der Seelenschönheit über die des Körpers, klettert herum, hat Schluckauf. Immer wieder tanzt das Darstellerquintett, Michael Masula entflammt zürnend in unerfüllter Leidenschaft.

Üppig und mit Kompromissen

Stephan Müller, der sich schon seit vielen Jahren mit Platon befasst, inszeniert üppig und laut und zeichnet auch mit für die Fassung der Texte verantwortlich, die dank Sokrates' dialogischen Herauslockens des Wissens aus seinen Gesprächspartnern für das Gespieltwerden prädestiniert scheinen und inzwischen vor allem literarisch gelesen werden.

Dass er so mehr taugt denn als heute noch gültiger Denkanstoß, wird nach der Pause bei Phaidon offensichtlich. Dramaturgisch zugespitzt, steht Sokrates hierin der Tod durch den Schierlingsbecher unmittelbar bevor. Voll der Ruhe leitet Martin Schwab aber noch ein letztes Mal die Gedanken seiner Freunde (Jesch, Sandmeyer). Da "alles, was eine Entstehung hat, so entsteht: nirgends anders als aus seinem Gegenteil", gebe es nämlich auch ein "Sein der Seelen der Gestorbenen". Wer dem folgen will, muss mitunter arge logische Kompromisse schließen. Das Trio spielt – ob dieser Verwirrung? – mit den Textbüchern bei der Hand.

Trotzdem ist der Abend ein Gewinn. Er hält mit seiner dominanten Illustration dem pflichtschuldigen Textbau etwas entgegen. Das starke Ensembles schafft es, bei diesem Balanceakt nicht vom Komischen ins Lächerliche zu kippen. Und manch geglückter Gedankengang ist ja auch dabei. (Michael Wurmitzer, 27.3.2017)