Magaret Thatcher im Kreis der EU-Chefs, denen sie nicht immer nur Freude bereitete.

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Wien – Die Rufe von Außenminister Sebastian Kurz nach Ausgabenkürzungen im EU-Haushalt haben einen handfesten finanzpolitischen Hintergrund. Zwar liegt es auf der Hand, dass der Austritt Großbritanniens einen großen Finanzierungsbedarf hinterlässt. Weniger bekannt ist der Umstand, dass vier Länder eine Vergünstigung bei den Beitragszahlungen genießen, die mit dem Brexit wegfällt. Dieser Rabatt vom Rabatt führt dazu, dass Deutschland, Schweden, die Niederlande und Österreich vom Goodbye Londons überproportional betroffen wären.

In Zahlen gegossen heißt das: Während der Nettobeitrag der 23 EU-Länder ohne Sonderregelung um durchschnittlich acht Prozent steigen wird, liegt der Zuwachs bei der privilegierten Viererbande bei rund 15 Prozent. Österreich würde somit auf einen zusätzlichen Obolus von knapp 400 Millionen Euro kommen, hat das Berliner Jacques-Delors-Institut berechnet. Und diese Summe ist noch ziemlich konservativ geschätzt, weil sie auf dem britischen Nettobeitrag von 2014 und 2015 in Höhe von rund zehn Milliarden Euro basiert. Wegen der weit über dem EU-Schnitt liegenden wirtschaftlichen Entwicklung des Königreichs vergrößert sich der positive Saldo laufend.

Schockwirkung

"Das ist ein Schock für diese vier Länder", sagt dazu Jörg Haas vom Delors-Institut im Gespräch mit dem Standard. Von einer radikalen Kürzung des durch den Brexit verursachten Finanzierungsbedarfs hält er aber trotzdem nichts. Die genannten zehn Milliarden Euro entsprächen in etwa den gesamten Ausgaben für die Forschung oder für die Außen- und Sicherheitspolitik der Union.

Zudem verweist er darauf, dass Länder wie Deutschland oder Österreich viel stärker vom Binnenmarkt profitierten als Staaten am Rand der Union. Und noch ein Argument wirft der Wissenschafter in die Waagschale: "Eigentlich sollten alle Rabatte in der EU abgeschafft werden."

"Money back"

Sie gehen auf Margaret Thatcher zurück, die 1984 ihr berühmtes "I want my money back" postulierte. Die verstorbene frühere britische Regierungschefin hatte nach ihrer legendären Rede beim EU-Ratstreffen im französischen Fontainebleau tatsächlich erreicht, dass London zwei Drittel seines Nettobeitrags im jeweils folgenden Jahr zurückerhält. Das hat in der seither verstrichenen Zeit das hübsche Sümmchen von 111 Milliarden Euro ergeben. Besonders argwöhnisch wurde auf die Vergünstigung geschielt, als 2004 die erste Osterweiterung startete. Mit dem Ergebnis, dass sogar die ärmeren neuen Mitgliedsstaaten den Britenrabatt mitfinanzieren müssen.

2002 haben dann einige im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft besonders große Nettozahler eine Entlastung durchgesetzt. Deutschland, Schweden, die Niederlande und eben Österreich müssen seither nur für ein Viertel dessen aufkommen, was sie zur Finanzierung des Britenrabatts eigentlich leisten müssten.

Schlechte Position

Die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen zum EU-Haushalt – der aktuelle Finanzrahmen läuft bis 2020 – werden durch den Brexit somit noch problematischer. Die Position der Nettozahler ist dabei nicht die beste: Gibt es keine Einigung, wird einfach das Budget des Vorjahres fortgeschrieben – Kürzungen sind also per se nicht vorgesehen. Für eine Reform des Haushalts spricht dennoch viel. Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest: "Erhebliche Teile der EU-Ausgaben, insbesondere im Bereich der Agrarpolitik und der Regionalpolitik, erbringen keinen Mehrwert." (Andreas Schnauder, 26.3.2017)