In der heimischen Spitzenpolitik hat sich ein fixer Ablauf etabliert: Außenminister Sebastian Kurz, die ÖVP-Hoffnung, provoziert mit einer oft plausiblen, jedenfalls populistischen Forderung; Kanzler Christian Kern reagiert, indem er Kurz entweder für unzuständig und sachlich unbeleckt erklärt – oder indem er in Teilen nachzieht.

Die jüngsten Beispiele: Kurz kündigt an (in der Krone), dass er während des österreichischen EU-Vorsitzes 2018 "die EU komplett umkrempeln" werde (Krone-Formulierung). Die Kommission solle halbiert werden, die EU sich "nur noch um die großen Dinge kümmern". Das findet selbst die Krone, die voll auf Kurz setzt, populistisch, aber "wenig realistisch".

Kanzler Kern rückt im STANDARD-Interview mit Europa-Korrespondent Thomas Mayer sanft ironisch die Realitäten zurecht. EU-Politik sei Sache der Staats-und Regierungschefs, die Außenminister seien bei den Sitzungen nicht einmal mehr dabei, und die Idee, dass eine EU-Reform "bilateral verhandelt" werde (also zwischen Kurz und der Kommission), sei einfach Unsinn. Aber er arbeite mit Kurz natürlich sehr gut zusammen ...

Kurz fordert, das Kindergeld für (EU-)Ausländer auf das etwa in Rumänien oder Ungarn vorherrschende Niveau zu kürzen. Kern hat sich schon früher für die Idee erwärmen können, macht aber praktische Schwierigkeiten geltend. Dafür fokussiert Kern auf das Problem, dass österreichische Arbeitnehmer starke Konkurrenz durch Osteuropäer erhalten.

Kurz ist im taktischen Vorteil. Er kann seine Vorschläge und Forderungen gezielt setzen, ohne sich vorerst viel um die Umsetzung kümmern zu müssen. Kern kann nur reagieren, es sieht so aus, als sei das Gesetz des Handelns nicht auf seiner Seite. Schlimmstenfalls muss er dann hinter Kurz nacharbeiten. Der hat etwa als Integrationsstaatssekretär das Islamgesetz durchgebracht, das ausländische Finanzierung von islamischen Einrichtungen hierzulande verbietet. Ist das umgesetzt? Lässt sich im Grunde nur überprüfen, indem man in die Bücher steigt. Das Geschrei kann man sich vorstellen.

Kurz kann fordern, Kern muss liefern. Das ist schwer, wegen der Obstruktion des Regierungspartners ÖVP. Im Grunde kann es zunächst nur darum gehen, wer die Meinungsvorherrschaft vor der Wahl gewinnt, wann immer die ist. Hier ist allerdings Kanzler Kern in einem leichten Vorteil. Er besitzt persönliche Wirtschaftskompetenz, und er könnte sie noch weiter ausbauen, indem er etwa ausgewiesene Experten findet.

Trotz seines beeindruckenden Auftretens muss Kurz auch in einem Punkt aufpassen: mit seiner Kritik an Schwächen der EU (und an Merkel) gerät er manchmal gefährlich nahe an die Tonalität der Rechtspopulisten. Zuletzt kam auch noch ein mehr als fragwürdiges "Der NGO-Wahnsinn bei den Mittelmeerflüchtlingen muss beendet werden".

So weit das Match. Noch ein Nachgedanke: In Wahrheit stehen sowohl hinter Kurz wie hinter Kern stark angeschlagene, fast handlungsunfähige Parteien. Das relativiert die Gestaltungsfähigkeit der beiden. (Hans Rauscher, 24.3.2017)