Spenden als Stein des Anstoßes: Laut Traiskirchen-Chef "unnötig", und die Caritas soll schuld gewesen sein.

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Es gibt einen neuen Sündenbock in Österreich: "Die" NGOs kommen derzeit nicht gut weg, vor allem wegen ihrer Hilfe für und Betreuung von Flüchtlingen. Die zwei jüngsten Beispiele: Außenminister Sebastian Kurz sagte am Freitag in Malta vor Journalisten: "Dieser NGO-Wahnsinn muss beendet werden." Gemeint hat er damit die Tatsache, dass Flüchtlingshelfer täglich Menschen aus dem Mittelmeer fischen, die sonst ertrinken würden.

Kurz geht so weit, den Hilfsorganisationen vorzuwerfen, sie besorgten "das Geschäft der Schlepper": Würden sie nicht immer näher vor der libyschen Küste gekenterte Boote retten, würden die Schlepper nicht so viele undichte, überladene Seelenverkäufer auf See schicken. In der Fachsprache nennt man so etwas "Pull-Faktor".

Der Vorwurf ist nicht neu. Auch der deutsche Innenminister Thomas de Maizière und andere haben schon vor Jahren diesen Vorwurf gegen das italienische Seenotrettungsprogramm Mare Nostrum erhoben, und andere europäische Politiker zogen nach, was zur Einstellung des Programms führte, zum Grenzschutzprogramm Triton – und dazu, dass im April 2015 500 Menschen im Mittelmeer ertranken.

Rundumschlag

Der scheidende Traiskirchen-Chef Franz Schabhüttl, ein Angestellter des Innenministeriums, setzte am Freitag beim NGO-Bashing noch eins drauf: Er präsentierte sein Buch "Brennpunkt Traiskirchen" – und servierte gleich eine Abrechnung mit den Hilfsorganisationen mit: Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International, Caritas – alle bekamen ihr Fett ab. Am ärgsten die Caritas: Diese agiere "mit ihren 17.000 Beschäftigten wie ein Konzern".

In der Wahrnehmung des bald pensionierten Traiskirchen-Chefs waren die Spendenaufrufe der Caritas schuld daran, dass man "tonnenweise" nicht gebrauchte Spendengüter entsorgen musste. All das wäre nicht notwendig gewesen, die Versorgung in Traiskirchen habe stets gut funktioniert, nie habe es an irgendetwas gemangelt.

Verdrängung

Schabhüttl scheint dabei zu verdrängen, dass zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise Menschen im Freien campieren mussten, darunter auch Mütter mit kleinen Babys, weil das Lager völlig überfüllt war. Er vergisst wohl auch, dass die damalige Innenministerin persönlich im Chaos der ersten Wochen die Zivilgesellschaft gebeten hat, ihre Aufgabe zu erfüllen. Das hat zweifellos einiges in Gang gesetzt, und zweifellos war es auch teils chaotisch in Traiskirchen (nicht nur dort).

Es gibt zwischen NGOs und etwa der Grenzschutzagentur Frontex auch unterschiedliche Auffassungen darüber, wie weit die Hilfe für die Flüchtenden gehen dürfe – doch klar sollte immerhin eines sein: Hilfsorganisationen sind dazu da, um Menschen in Not zu helfen – und nicht, um Schleppern das Leben zu erleichtern oder ihr persönliches "Businessmodell" zu verwirklichen.

Unterstellung

Diese Unterstellung ist unverschämt – und ein Schlag ins Gesicht jener, die sich in diesem Bereich oft ehrenamtlich und unter Aufbietung all ihrer Zeit und ihrer Kräfte engagieren. Dass sich ausgerechnet die ÖVP-Hoffnung Kurz zu einer solchen Aussage hinreißen lässt, ist doppelt absurd: NGOs werden zu einem Gutteil von jener "Bürgergesellschaft" (Copyright Andreas Khol) getragen, die der Volkspartei sonst so wichtig sind.

Was jedenfalls nicht geht: NGOs um Hilfe anzuflehen, wenn man in der Politik einmal nicht mehr weiterweiß – und abzuwatschen, wenn sie unbequem werden. Das ist schlechter Stil und obendrein kontraproduktiv: Es raubt engagierten Menschen die Motivation und das Vertrauen in die Politik. (24.3.2017, Petra Stuiber)