Wäre man böse, sehr böse, könnte man glatt behaupten, viele europäische Politiker würden sich über die nicht enden wollende Flüchtlingskrise in Europa freuen. Sich an diesem Reibebaum abzuarbeiten und kaum durchdachte Vorschläge zur vermeintlichen Lösung herauszuposaunen ist bereits länger in Mode. Doch in den vergangenen Monaten trieb diese "Kunst" besonders bunte Blüten. Verantwortlich sind dafür nicht nur Vertreter des rechten Ecks, sondern mehr und mehr auch Vertreter der politischen Mitte – in Österreich vor allem Innenminister Wolfgang Sobotka und Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) sowie Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Diesem Triumvirat gelingt es in schöner Regelmäßigkeit, Schlagzeilen in Österreich und auch Europa zu produzieren. Mittlerweile weiß man schon gar nicht mehr, welcher der vielen halbgaren Vorschläge von wem stammt. Halbierung der Obergrenzen? EU-weite Obergrenze? Auffanglager in Nordafrika – oder war es doch Georgien? Ist ja eigentlich auch egal.

Einer Lösung des Problems kommt man damit nicht näher. Denn dafür müsste man ja vermeintlich unwichtige Fragen beantworten wie: Was passiert mit Flüchtlingen, die nach Erreichen einer Obergrenze an der Grenze Asyl beantragen? Wie soll man nordafrikanische Länder (oder eben Georgien) dazu überreden, riesige Flüchtlingslager zu errichten? Und wenn es tatsächlich einmal eine – sicherlich hohe – Summe geben sollte, bei der diese Länder schwach werden würden: Wer soll das finanzieren, wenn doch die Zahlungsmoral der EU und ihrer Mitglieder schon bei anderen Flüchtlingsprogrammen alles andere als vorbildlich ist? Man denke nur an ausbleibende Hilfszahlungen für Syrer in den Nachbarländern ihrer Heimat, die sie vielleicht daran hindern könnten, den Weg nach Europa zu beschreiten.

Wenn man schon den EU-Türkei-Deal immer wieder kritisiert, sollte man vielleicht einen Plan B präsentieren, der mehr hergibt als die hohle Forderung, EU-Außengrenzen stärker abzusichern. Denn wie, bitte schön, soll man eine Seegrenze absichern, sprich: Wohin mit all den auf hoher See abgefangenen Menschen, wenn das Land, von dem aus sie gestartet sind – ob nun die Türkei oder Libyen –, nicht bereit ist, sie zurückzunehmen. Ach ja, richtig, in die Lager außerhalb der EU.

Und überhaupt, natürlich sind im Mittelmeer aktive NGOs schuld an den Flüchtlingsbewegungen und nicht etwa zufällig vier gleichzeitig drohende Hungerkatastrophen in Afrika, zahlreiche (Dauer-)Konflikte wie etwa im Südsudan oder einfach nur Armut, Perspektivlosigkeit und schlichter Hunger.

Einige Politiker haben sich mangels Umsetzung tatsächlicher Verbesserungsvorschläge – gerechte Flüchtlingsverteilung in der EU oder ein effizientes EU-Libyen-Abkommen – mittlerweile ein umfangreiches Repertoire an Schnapsideen zugelegt, aus dem sie regelmäßig schöpfen. Das Problem dabei: In Umfragen werden sie dafür auch noch belohnt, sei es die SPÖ als Partei oder Sebastian Kurz als Person. Tatsächliche, geräuschlosere Lösungsmöglichkeiten sind so noch schwerer umzusetzen. (Kim Son Hoang, 24.3.2017)